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About Ruby

About Ruby

Titel: About Ruby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Dessen
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mir geholfen, nicht nur ein-, sondern gleich zweimal. Was in seinen Augen womöglich dazu führte, dass ich meine Meinung über allmorgendliche Mitfahrgelegenheiten zur Schule geändert hatte. Aber ich konnte den Moment, in dem mir Peyton dort in jener Telefonzelle am anderen Ende der Leitung mitgeteilt hatte, dass sie mich nicht abholen könne, nicht so leicht vergessen. Konnte nicht vergessen, dass sie mich in exakt dem Moment hängen ließ, als ich sie brauchte.
    »Danke fürs Mitnehmen«, sagte ich daher nur.
    Nate nickte, klappte sein Handy auf. Ich schloss die Beifahrertür   – die Tür zwischen uns. Keine Ahnung, ob ihm aufgefallen war, dass ich seine Frage nicht beantwortet hatte. Oder ob es ihn überhaupt kümmerte. Wie auch immer: Ich hatte den Weg durch den Vorgarten bis zur Haustür kaum zur Hälfte hinter mir, da war er auch schon weg.
    ***
    Nachdem wir an jenem Vormittag meinen Stundenplan zusammengestellt hatten, war Jamie zur Arbeit aufgebrochen und Mr Thackray begleitete mich durch die langen Gänge zu meiner ersten Englischstunde. Wir waren ungefähr auf der Mitte der Strecke, als ich plötzlich Jamies Stimme hinter uns hörte.
    »Wartet einen Moment, bitte.«
    Ich drehte mich um und blickte den Flur entlang, der sich gerade in Windeseile mit Leuten füllte, weil es zur ersten Pause geklingelt hatte. Jamies Kopf war über den Köpfen der anderen zu sehen wie ein Ball auf den Wellen. Als er uns eingeholt hatte, war er ein wenig außer Atem. Doch er lächelte, streckte mir die Hand entgegen und signalisierte mir, es ihm gleichzutun.
    Instinktiv zögerte ich. Was hatte er   – außer seiner Hand   – mir in diesem Moment wohl noch anzubieten? Doch nachdem ich ihm meine geöffnete Hand hingehalten und er einen Schlüssel dort hinein hatte fallen lassen, erschien es plötzlich vollkommen absurd, dass ich mit irgendetwas anderem gerechnet hatte als mit genau dem, was nun auf meiner Handfläche lag: einem Schlüssel.
    »Falls du vor uns daheim bist«, sagte er. »Ich hoffe, du hast einen schönen Tag.«
    In dem Moment hatte ich bloß stumm genickt, meine Hand mit dem Schlüssel darin in meine Hosentasche gesteckt, das Teil dort deponiert und bis zu diesem Augenblick komplett vergessen. Erst jetzt, als ich mich der Haustür näherte, fiel mir der Schlüssel wieder ein. Ich holte ihn aus der Tasche. Er war klein, schmal und hing an einem silbernen Schlüsselanhänger, auf dem die Worte
»WILDFLOWER RIDGE«
eingraviert waren. Krass, wie er den ganzen Tag über in meiner Tasche gesteckt hatte, ohne dass ich ihngespürt oder sonst irgendwie daran gedacht hatte. Im Gegensatz dazu war mir der um meinen Hals immer bewusst, sowohl sein Gewicht als auch die Tatsache, dass er da war. Doch das lag vielleicht daran, dass er mir irgendwie näher war, auch physisch. An einer Stelle, wo man gar nicht anders konnte, als ihn zu bemerken.
    Die Tür zu Coras Haus öffnete sich beinahe lautlos; vor mir lag die luftige Eingangshalle. Genau wie in dem gelben Haus war auch hier alles still und ruhig, aber auf eine andere Weise. Nicht unberührt, nicht verlassen oder vergessen, sondern erwartungsvoll. Als würde selbst ein Haus den Unterschied erkennen zwischen jemandem, der nur zwischendurch mal eben weggeht, und jemandem, der für immer verschwindet.
    Ich schloss die Tür hinter mir. Von der Eingangshalle aus konnte ich ins Wohnzimmer blicken: Hinter den Bäumen, die man durch die Fenster sah, ging bereits die Sonne unter und verbreitete jenes besondere, warme Licht, das man nur kurz vor Sonnenuntergang zu Gesicht bekommt.
    Ich stand einfach da und nahm das Licht wahr, da hörte ich von links ein
Tipp, tipp, tapp, tapp
. Ich schaute in die Richtung und sah Roscoe durch die Küche laufen. Als er mich bemerkte, richtete er kerzengerade die Ohren auf. Dann hockte er sich hin und starrte mich an.
    Ich blieb, wo ich war. Ob er mich wieder anbellen würde? Ich hatte das deutliche Gefühl, das würde das Fass zum Überlaufen bringen. Denn nach einem ersten Tag an einer neuen Schule und der Tatsache, dass ich praktisch in mein eigenes Haus eingebrochen war, wäre das für mich echt einer zu viel gewesen. Doch glücklicherweise hielt er die Schnauze und begann stattdessen, sich geräuschvoll abzuschlabbern. Ich nahm das mal als Zeichen dafür, dass ichmich gefahrlos in die Küche begeben konnte, wobei ich allerdings einen großen Bogen um ihn machte, als ich an ihm vorbeikam.
    Auf der Küchentheke lag ein Zettel, und obwohl ich

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