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About Ruby

About Ruby

Titel: About Ruby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Dessen
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Partys, Stress. Nur waren Olivias Unterhaltungen eben einseitig, ihre Stimme die einzige, die ich hörte.
    Außerdem war nicht zu übersehen, dass Olivia nur unter Protest auf die Perkins Day ging, und zwar ein Protest, den sie laut und deutlich äußerte. Ich hatte ebenfalls klare Meinungen über unsere Mitschüler und deren Lebensstil, behielt diese allerdings für mich. Olivia verhielt sich weniger diskret.
    »Na klar«, meinte sie beispielsweise einmal halblaut, als Heather Wainwright gerade mit einem langen Referat über die symbolische und die konkrete Bedeutung der Armut in
David Copperfield
loslegte. »Als würdest ausgerechnet du dich mit Armut auskennen, du mit deinem BMW und deiner Millionen-Villa.«
    »Oh ja«, murmelte sie ein anderes Mal, als eine unserer Sportskanonen aus der letzten Reihe   – nachdem Ms Conyers den Typen schwer genötigt hatte, sich endlich mal am Unterrichtsgespräch zu beteiligen   – seine Erfahrung, nicht zur Anfangsaufstellung seines Teams zu gehören, mit deninneren und äußeren Kämpfen einer Figur aus der aktuellen Klassenlektüre (für alle, die es vielleicht vergessen haben:
David Copperfield
) verglich. »Ja, erzähl uns von
deinem
Schmerz,
deinem
großen Leid. Wir können es kaum noch erwarten.«
    Manchmal schwieg sie auch, ließ aber trotzdem einen Kommentar los, indem sie laut seufzte, ausgiebig den Kopf schüttelte oder entnervt die Augen gen Himmel verdrehte. Am Anfang fand ich die theatralische Leichenbitterhaltung, mit der sie unseren gemeinsamen Literaturunterricht ertrug, ganz amüsant, doch im Laufe der Zeit ging mir diese Masche zunehmend auf den Keks. Außerdem empfand ich sie als störend   – schließlich wollte
ich
mich vielleicht konzentrieren . . . Am Freitag, nachdem sie buchstäblich die Hände gerungen hatte, während einer unserer Mitschüler sich mit einer Definition des Begriffs »Proletarier« abmühte, konnte ich mich nicht länger zurückhalten.
    »Warum bist du eigentlich noch da, wenn du es hier so schlimm findest?«, erkundigte ich mich.
    Sie wandte mir so langsam den Kopf zu, als sähe sie mich zum ersten Mal. »Wie war das bitte?«, fragte sie zurück.
    Ich zuckte die Schultern. »Ist ja nicht so, dass das hier zum Schnäppchenpreis zu haben ist. Scheint mir in deinem Fall eher Geldverschwendung zu sein.«
    Olivia rutschte auf ihrem Stuhl hin und her und setzte sich gerade hin, als würde ihr das womöglich helfen zu begreifen, warum verflucht noch mal ich sie überhaupt angequatscht hatte. »Sorry«, sagte sie schließlich, »kennen wir uns?«
    »War bloß eine Frage«, erwiderte ich.
    Ms Conyers, die vorne stand, erzählte gerade was zum Thema »Status quo«. Ich blätterte ein paar Seiten in meinemHeft um, spürte dabei, wie Olivia mich ansah. Ein paar Sekunden später schaute ich hoch und erwiderte ihren Blick, schon allein, um ihr zu zeigen, dass ich mich nicht von ihr einschüchtern ließ.
    »Und warum bist
du
hier?«, fragte sie.
    »Ich hatte keine andere Wahl«, antwortete ich.
    »Ich auch nicht«, sagte sie. Ich nickte. Von mir aus hätte es dabei bleiben können. Doch sie fuhr fort: »Für mich lief an der Jackson alles prima. Aber mein Vater wollte unbedingt, dass ich auf diese Schule gehe, und hat mich gezwungen, mich für ein Stipendium zu bewerben. Weil sowohl die Lehrer als auch der Unterricht hier besser sind. Höheres Niveau. Und die Freunde, die man hier finden könnte, dieser ganze Käse. Bist du jetzt zufrieden?«
    »Hab nie behauptet, dass ich’s nicht wäre«, erwiderte ich. »Du bist doch diejenige, die ständig rumjammert.«
    Olivia hob die Augenbrauen. Offenkundig hatte ich sie verblüfft, und das wiederum schien nicht allzu oft vorzukommen. »Wie heißt du noch mal?«
    »Ruby«, sagte ich. »Ruby Cooper.«
    »Ach so«, meinte sie, als wäre dadurch auch noch eine weitere Frage beantwortet. Und als ich sie das nächste Mal wiedersah, auf dem Schulhof, während einer Pause, rauschte sie nicht einfach bloß an mir vorbei, ohne mich zu beachten, weil sie sich stattdessen auf denjenigen an ihrem Handy-Ohr konzentrierte. Zwar sprach sie nicht mit mir. Aber immerhin begegneten sich unsere Blicke für einen Moment, und es fand so etwas wie eine Bestätigung statt, eine Anerkennung, eine Wahrnehmung   – auch wenn ich mir nicht sicher war, wovon, wofür, weswegen. Bin ich bis jetzt nicht.
    ***
    Ich lag also am Samstagmorgen auf meinem Bett und hörte von draußen schon wieder einen Mordskrach, gefolgt von lautem

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