Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
About Ruby

About Ruby

Titel: About Ruby Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Dessen
Vom Netzwerk:
undblickte wieder Richtung Bagger. »Deshalb solltet ihr für den Preis auch das bekommen, was ihr möchtet. Sei es ein Gefühl von Sicherheit, gleich gesinnte Nachbarn, Exklusivität   –«
    »Oder einen Teich«, sagte ich. Im selben Moment krachte die Baggerschaufel ins Loch; dann begann der Bagger unter lautem Gepiepe wieder zurückzusetzen.
    »Bitte? Was hast du gerade gesagt?« Mr Cross hielt sich die Hand ans Ohr.
    »Nichts«, entgegnete ich. Jamie sah mich an und lächelte. »Nett, Sie kennengelernt zu haben«, fügte ich noch hinzu.
    Mr Cross nickte, wandte sich wieder Jamie zu. Ich verabschiedete mich und ging durch den Garten davon. Auf halber Strecke blieb ich am Rand des Lochs stehen und blickte hinein. Es war breit. Und tief. Viel größer, als ich es mir nach Jamies Beschreibungen vorgestellt hatte. Von dem Moment an, da man etwas plant, bis zu dem, da man den Plan tatsächlich in die Tat umsetzt, kann sich einiges ändern. Und auch der Plan selbst mag sich von der Realität ziemlich unterscheiden. Oder vielleicht ist das ja alles auch nicht so wichtig. Und dass sich überhaupt etwas ändert, ist möglicherweise das Einzige, was zählt.

Kapitel fünf
    Vielleicht lag es an meinem Gespräch mit Cora. Oder an der Wahnsinnswoche, die hinter mir lag. Egal   – kaum war ich beim Einkaufszentrum angekommen, steuerte ich beinahe automatisch die Bushaltestelle an. Zweimal umsteigen und vierzig Minuten später stand ich vor Marshalls Tür.
    Er wohnte in
Sandpiper Arms
, einem Wohnblock nicht weit von der Jackson Highschool entfernt. Nur ein Wäldchen lag dazwischen. Über
Sandpiper Arms
gibt es nichts Nennenswertes zu berichten, bis auf dass die Mieten günstig und die Häuser möbliert waren. Außerdem hatte man sie bunt angestrichen, eine ganze Palette von Pastelltönen: bonbonrosa, himmelblau, quietschegelb. Das Haus, in dem Marshall wohnte, war limettengrün, was noch anging. Allerdings bekam ich jedes Mal, wenn ich es sah, total Lust auf Sprite.
    Auf mein erstes Klingeln reagierte niemand. Nachdem ich noch zweimal vergeblich geklingelt hatte, wollte ich gerade meinen Busfahrplan aus der Tasche holen und beginnen, die Heimfahrt zu planen, da öffnete sich die Tür. Rogerson spähte heraus.
    »Hi«, sagte ich. Er blinzelte mich für einen Moment verständnislos an. Dann fuhr er sich mit der Hand durchseine Dreadlocks. Und blinzelte gleich noch einmal, doch nun wegen des Sonnenlichts, das ihn offenbar blendete. »Ist Marshall da?«
    »Schlafzimmer«, antwortete er, ließ die Türklinke los und schlurfte zurück in sein eigenes Zimmer. Ich wusste nicht viel über Rogerson, bloß das mit dem Gras und dass er, genau wie Marshall, in der Küche eines mexikanischen Imbisses namens
Sopas
irgendwo in der Innenstadt jobbte. Angeblich hatte er auch schon mal gesessen   – wegen Körperverletzung oder eines Raubüberfalls oder so   –, aber das war erstens vielleicht bloß ein Gerücht und er zweitens nicht besonders gesprächig. Ein sehr zurückhaltender Mensch, der nicht viel von sich preisgab. Deshalb hatte ich keine Ahnung, ob es stimmte. Oder was überhaupt.
    Ich trat ein, schloss die Tür hinter mir. Und brauchte einen Moment, bis meine Augen sich an das Dämmerlicht gewöhnt hatten. Ähnlich wie meine Mutter mochten auch Marshall und Rogerson es gern dunkel. Dass sie etwas gegen Tageslicht und vor allem die Helligkeit am Morgen hatten, lag möglicherweise an den ständigen Spätschichten. Es roch nach abgestandenem Rauch. Ich durchquerte den engen Flur und die kleine Küche, wo sich Pizzaschachteln und halb leere Getränkedosen auf der Arbeitsplatte türmten. Im Wohnzimmer lag irgendein Typ auf dem Sofa, Kissen überm Gesicht; sein T-Shirt war hochgerutscht, daher konnte ich ein Stück seines Bauchs sehen, geradezu geisterhaft bleich. Der Fernseher in der gegenüberliegenden Ecke des Raums lief ohne Ton: eine Sendung übers Angeln von Barschen.
    Marshalls Tür stand einen Spalt offen. Ich klopfte. »Ja?«, ertönte es von drinnen.
    »Ich bin’s«, sagte ich. Er räusperte sich. Ich interpretierte das als »Herein« und öffnete die Tür.
    Auch das Fenster stand einen Spalt offen. Er saß mit nacktem Oberkörper an dem billigen Schreibtisch, Marke Selbstbau, und drehte sich eine Zigarette. In dem spärlichen Licht, das durch den Fensterspalt hereindrang, schien seine blasse, mit Sommersprossen übersäte Haut beinahe zu schimmern; und da es sich um Marshall handelte, der dort hockte, konnte man sein

Weitere Kostenlose Bücher