Abraham Kann Nichts Dafür. 66 Neue Satiren.
aus, und stellen Sie sich wieder hinten an.«
Ich ging auf Zehenspitzen davon und machte mich an die Arbeit. Ich schrieb: Jaffa. Jaffa. Jaffa. Abulafia. Abulafia. Abulafia. Wieder und wieder, wie ein Schüler, der nachsitzt. Dann ging ich auf allen vieren an das Ende der trägen Schlange, und wenn ich nicht gestorben bin, dann krieche ich noch immer mit, für ewig oder bis zum Ende der Inflation, was auf dasselbe herauskommt.
Wunderwaffe
Dieser Tage kaufte ich einen geräucherten Fisch. Während ich heimwärts schlenderte, las ich im Abendblatt, in welches besagter Fisch gewickelt war, daß die Behörden über die steigende Unfallrate im Straßenverkehr höchst besorgt waren. Ich beschloß, der Ursache des Übels auf den Grund zu gehen.
Wie wir wissen, gibt es ein ungeschriebenes und trotzdem überall gültiges Gesetz der Straße. Demzufolge scheinen Autofahrer verpflichtet zu sein, einander prinzipiell mit »Idiot« anzusprechen. Dieses Grundgesetz – der Lateiner nennt es »jus incivile« – ist zur eisernen Tradition geworden, etwa so, wie man bei festlichen Anlässen »Dreimal Hoch« ruft.
Autofahrer, die bei der geringsten Provokation, oder auch ohne diese, nicht bereit sind, das Schlachtgeschrei »Idiot« anzustimmen, gelten als nicht vertrauenswürdig. Sie sind entweder Anfänger, die man nicht auf die Straße lassen sollte, gefährliche Exzentriker oder bestenfalls ausländische Gäste, die unter Höflichkeitszwang stehen.
Ich für meinen Teil als echter Kavalier am Steuer bin es seit Jahren gewohnt, jedem Straßenkameraden, der versucht, mir die Vorfahrt zu verweigern, der mich schneidet, überholt oder sonst irgendwie unsympathisch auffällt, durch das eiligst heruntergedrehte Wagenfenster mit donnernder Stimme zuzubrüllen:
»liidiooot!«
Normalerweise geht mein »liidioot!« in dem ebenso lautendem Autofahrergruß meines hochgeschätzten Gegners unter und wir setzen wütend unseren Weg fort. Doch manchmal passiert es, daß so ein Idiot aussteigt, breitspurig auf mich zukommt und schreit:
»Kannst du nicht aufpassen, du Kretin?«
Meine höchst phantasievolle Antwort auf eine solch unqualifizierte Attacke lautet üblicherweise:
»Warum paßt du nicht selber auf, du Armloch!« (»Armloch« halte ich für einen besonders raffinierten Schachzug: das Wort erinnert vage an irgend etwas anderes, ist aber nicht klagbar.)
Das war die Lage bis vor rund einem Monat. Dann allerdings widerfuhr mir etwas völlig Unerwartetes.
Ich war unterwegs ins Stadtzentrum und bog links ab, ohne ein entsprechendes Zeichen zu geben, und vernahm das Quietschen notgebremster Reifen, begleitet von dem obligaten »liidiooot!«
Gleich darauf kam der Verursacher des ohrenbeleidigenden Quietschens, ein vierschrötiger Hüne, auf mich zu. Doch noch ehe er sein Wutgeschrei loswerden konnte – ich weiß bis zum heutigen Tag nicht, was da eigentlich in mich gefahren ist –, entglitten meinem Mund unbegreifliche Worte:
»Tut mir wirklich leid«, hörte ich mich sagen, »Sie sind völlig im Recht. Ich habe vergessen zu blinken.«
Der Mann war sprachlos. Er wich einen Schritt zurück, als habe er eine schallende Ohrfeige erhalten, taumelte wie benommen zu seinem Wagen zurück und fuhr blindlings davon. Die Trance dürfte noch eine Weile angehalten haben, denn ich sah, wie er kurz danach auf den Gehsteig fuhr und in eine Stoptafel krachte.
Von dieser Wunderwaffe mache ich seither tagtäglich Gebrauch. Wann immer mich ein idiotischer Autofahrer anbrüllt: »liidiooot!, kannst du nicht aufpassen?«, sage ich höflich: »Verzeihen Sie vielmals, es war eindeutig mein Fehler.«
Ich glaube nach diesen Ausführungen sagen zu dürfen, daß meine mörderische Wunderwaffe zu einem nicht unwesentlichen Teil für die steigende Unfallrate verantwortlich ist.
Bamramstraße
Seit der Staatsgründung fordert unsere Regierung uns regelmäßig auf, die Touristen gut zu behandeln. Sie verlangt, daß wir ihr Gepäck tragen, ihnen den Weg zum Museum zeigen und ihre Valuten zum anständigen Schwarzmarktkurs wechseln.
Ich finde das lächerlich. Erstens sind wir von Natur aus äußerst hilfsbereit, und zweitens sind andere Völker auch nicht so schrecklich zuvorkommend. Im Gegenteil, in ihrem tiefsten Inneren sind sie ausgesprochen unhöflich, nur bemerkt man es nicht, weil sie nach außen hin so ausgesprochen höflich sind.
Fragen Sie nur einmal in irgendeiner fremden Stadt irgend jemanden nach irgendeiner Adresse. Der Befragte wird ein
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