Abraham Lincoln - Vampirjäger
Tagebuch, im Hintergrund einige seiner frühen Gerätschaften für die Vampirjagd.
Schon bald konnte Abe mehr Holzscheite pro Minute hacken als sein Vater.
Zwei Jahre waren mittlerweile seit diesen ersten Monaten in dem zugigen Verschlag vergangen. Die Familie lebte nun in einer kleinen, aber massiver gebauten Hütte mit einer steinernen Feuerstelle, einem Schindeldach und einem Holzboden, der auch im Winter trocken und warm blieb. Wie gehabt arbeitete Thomas gerade so viel, dass es zum Leben reichte. Nancys Großonkel Tom Sparrow und ihre Großtante Elizabeth aus Kentucky zogen in eines der Nebengebäude ein und packten auf der Farm mit an. Die Dinge liefen gut. »Inzwischen habe ich gelernt, solchem Frieden zu misstrauen«, schrieb Abe 1852 in sein Tagebuch, »denn er zieht immer, wirklich immer ein großes Unglück nach sich.«
Eines Nachts im September 1818 schreckte Abe aus dem Schlaf. Er saß aufrecht im Bett und hielt schützend die Hände vors Gesicht, als beuge sich jemand drohend mit einem Knüppel über ihn. Doch da war niemand. Als er begriff, dass er sich die Gefahr nur eingebildet hatte, ließ er die Hände wieder sinken, rang nach Atem und sah sich um. Alles schlief. Der Glut in der Feuerstelle nach zu schließen, war es zwei oder drei Uhr morgens.
Abe schlich sich, nur mit seinem Nachthemd bekleidet, hinaus, obwohl der kühle Herbst in jenem Jahr schon früh angebrochen war. Noch im Halbschlaf ging er auf den Umriss des Nebengebäudes zu, schloss, nachdem er es betreten hatte, die Tür hinter sich und setzte sich hin. Sowie sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, erschien ihm das Mondlicht, das durch die Ritzen des Schuppens fiel, plötzlich hell genug, um zu lesen. Da er jedoch kein Buch zur Hand hatte, mit dessen Lektüre er sich die Zeit vertreiben hätte können, bewegte er seine Hände durch die Lichtstrahlen und betrachtete die Muster, die sie auf seine Finger malten.
Draußen waren Stimmen zu hören.
Abe hielt den Atem an, als er die Schritte von zwei Männern vernahm, die immer näher kamen und dann plötzlich stehen blieben. Sie befinden sich vor der Wohnhütte. Einer der beiden flüsterte wütend. Obwohl er das Gesagte nicht verstehen konnte, wusste Abe doch, dass es nicht die Stimme von jemandem aus Little Pigeon Creek war: »Der Mann sprach mit englischem Akzent und in einer ungewöhnlich hohen Tonlage.« Der Fremde schimpfte noch eine Weile und schwieg dann, wartete auf eine Antwort. Er bekam sie. Diesmal hörte Abe eine nur allzu vertraute Stimme. Es war die von Thomas Lincoln.
Ich spähte durch eine der Ritzen zwischen den Brettern. Es war tatsächlich Vater, und er sprach mit jemandem, den ich noch nie zuvor gesehen hatte. Der Mann war von gedrungener Gestalt, gekleidet in ein vornehmeres Gewand, als ich es je zuvor gesehen hatte. Doch ihm fehlte der rechte Arm vom Ellenbogen abwärts – der Ärmel war fein säuberlich an der Schulter festgesteckt worden. Obwohl Vater ihn ein gutes Stück überragte, schien er sich geradezu vor seinem Gegenüber zu ducken.
Abe bemühte sich, das Gespräch zu verstehen, aber die beiden Männer standen zu weit von ihm entfernt. Er beobachtete sie aufmerksam, versuchte das Gesagte anhand ihrer Gesten zu interpretieren oder es ihnen von den Lippen abzulesen, bis …
… Vater plötzlich besorgt erschien, uns aufzuwecken, also führte er den Besucher ein Stück von der Wohnhütte weg. Ich hielt den Atem an, als sie näher kamen, überzeugt davon, mein laut klopfendes Herz würde mich jede Sekunde verraten. Sie blieben keine vier Yards von meinem Versteck entfernt stehen, und so konnte ich die letzten Sätze ihres Gespräches vernehmen. »Ich kann nicht«, sagte mein Vater. Der Fremde schwieg zunächst, man konnte ihm seine Enttäuschung anmerken.
Schließlich erwiderte er: »Dann muss ich es mir auf andere Weise holen.«
IV
Tom und Elizabeth Sparrow lagen im Sterben. Drei Tage und Nächte lang pflegte Nancy ihre Großtante und ihren Großonkel, die immer wieder von Fieberschüben, Wahnvorstellungen und Krämpfen heimgesucht wurden, die so heftig waren, dass der sonst so gestandene Tom weinte wie ein Kind. Abe und Sarah standen ihrer Mutter bei, halfen ihr, feuchte Wickel für die Kranken zu machen, ihre Betten sauberzumachen, und beteten mit ihr um eine wundersame Heilung, die, das wussten sie im tiefsten Inneren, nicht eintreten würde. Die Älteren hatten Ähnliches bereits erlebt. Sie nannten es »die Milchkrankheit«. Dabei
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