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Abraham Lincoln - Vampirjäger

Abraham Lincoln - Vampirjäger

Titel: Abraham Lincoln - Vampirjäger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Seth Grahame-Smith
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handelte es sich um eine schleichende Vergiftung durch den Verzehr von verdorbener Milch. Sie war unheilbar und verlief in der Regel tödlich. Abe hatte noch nie zuvor jemanden sterben sehen und hoffte, Gott möge ihm vergeben, dass er dieses Unglück mit einer gewissen Neugier verfolgte.
    Er hatte es nicht gewagt, seinen Vater darauf anzusprechen, was er eine Woche zuvor gesehen und gehört hatte. Thomas wirkte seitdem noch unnahbarer als sonst (und war größtenteils abwesend). Er schien sich nicht an den Nachtwachen am Krankenbett von Tom und Elizabeth beteiligen zu wollen.
    Die beiden starben kurz nacheinander – er zuerst und sie nur ein paar Stunden später. Insgeheim war Abe enttäuscht; er hatte zumindest ein letztes verzweifeltes Ringen nach Atem erwartet oder ein paar berührende letzte Worte wie in den Büchern, die er nun mittlerweile selbst vor dem Schlafengehen las. Stattdessen fielen Tom und Elizabeth einfach in ein Koma, lagen noch für ein paar Stunden reglos da und starben still. Am nächsten Morgen machte sich Thomas Lincoln, ohne auch nur ein Wort des Trostes für seine Frau verloren zu haben, daran, zwei Holzsärge anzufertigen. Noch vor dem Abendessen waren die Sparrows unter die Erde gebracht.
    Vater hatte nie ein besonders inniges Verhältnis zu Tante Elizabeth und Onkel Tom gehabt, und sie waren auch nicht die ersten Verwandten, die er zu Grabe tragen musste. Dennoch habe ich ihn noch nie so schweigsam erlebt. Er schien gedankenverloren. Besorgt.
    Vier Tage später klagte auch Nancy Lincoln über Unwohlsein. Zuerst behauptete sie, es seien nur Kopfschmerzen aufgrund der vorangegangenen Anspannung. Nichtsdestotrotz schickte Thomas nach dem Arzt, der dreißig Meilen entfernt wohnte. Als er am nächsten Morgen bei Sonnenaufgang eintraf, litt Nancy bereits unter starkem Fieber und war kaum noch ansprechbar.
    Meine Schwester und ich knieten an ihrem Bett und zitterten vor Angst und Übermüdung. Vater saß auf einem Stuhl in der Nähe, während der Doktor sie untersuchte. Ich wusste, dass sie sterben würde. Ich wusste, dass Gott mich bestrafte. Er bestrafte mich für mein neugieriges Interesse an dem Tod meiner Tante und meines Onkels. Er bestrafte mich auch dafür, dass ich ein Lebewesen getötet hatte, das mir nichts Böses getan hatte. Ich allein war verantwortlich. Als der Arzt seine Untersuchung abgeschlossen hatte, bat er um ein Wort mit Vater draußen vor der Hütte. Als sie wieder hereinkamen, konnte Vater die Tränen nicht unterdrücken. Keiner von uns konnte es.
    An jenem Abend saß Abe noch alleine am Bett seiner Mutter. Sarah war am Feuer eingeschlafen, und Thomas war kurz auf seinem Stuhl eingenickt. Nancy war inzwischen ins Koma gefallen. Stundenlang hatte sie geschrien – zunächst aufgrund der Wahnvorstellungen und schließlich vor Schmerz. Einmal mussten Thomas und der Arzt sie sogar bändigen, als sie schrie, sie sähe »dem Teufel ins Auge«.
    Abe nahm den feuchten Wickel von ihrer Stirn und tauchte ihn in die Schale mit Wasser, die zu seinen Füßen stand. Bald müsste er eine neue Kerze anzünden. Die, die an ihrem Bett stand, fing schon an zu flackern. Als er gerade die Kompresse auswringen wollte, packte ihn eine Hand am Arm.
    »Mein Junge«, flüsterte Nancy.
    Sie war völlig verändert. Ihr Gesichtsausdruck wirkte gefasst und ihre Stimme sanft und ruhig. In ihre Augen schien wieder Leben gekehrt zu sein. Mein Herz machte einen Sprung. Das konnte nur das Wunder sein, um das ich so inständig gebetet hatte. Sie sah mich an und lächelte. »Mein Junge«, flüsterte sie wieder. »Lebe.« Mir liefen Tränen die Wangen hinunter. Ich fragte mich, ob das alles nicht nur ein grausamer Traum war. »Mama?«, erwiderte ich fragend. »Lebe«, sagte sie noch einmal. Ich weinte. Gott hatte mir vergeben. Gott hatte sie mir zurückgegeben. Sie lächelte erneut. Dann spürte ich, wie sich ihre Hand von meinem Arm löste, und sah, wie sie die Augen schloss. »Mama?« Und noch einmal, diesmal kaum mehr als ein Flüstern, sagte sie zu mir: »Lebe.« Dann schloss sie die Augen und öffnete sie nie wieder.
    Nancy Hanks Lincoln starb am 5. Oktober 1818 im Alter von gerade mal vierunddreißig Jahren. Thomas begrub sie auf einer Anhöhe hinter der Hütte.
    Abe fühlte sich von der Welt verlassen.
    Seine Mutter war seine Seelenverwandte gewesen. Durch sie hatte er vom Tage seiner Geburt an Liebe und Unterstützung erfahren. Sie hatte ihm jeden Abend vor dem Einschlafen vorgelesen und dabei das

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