Abraxmata
nach für ein Tipp sein?«
»Bisher ist noch keine der beiden Parteien handgreiflich geworden. Sie haben sich damit begnügt, mit dem blauen Sekret des hochgiftigen Mondschattenpilzes gegenseitig ihre Farina-Pflanzen zu zerstören. Doch wenn der Hunger wie ein schwarzer Schatten an ihnen hochkriecht und ihre ersten Kinder nimmt, kocht die Wut in ihnen und sie werden beginnen, sich gegenseitig umzubringen. Wenn nicht eine Partei der anderen haushoch überlegen ist und die andere dadurch zwingt abzuwandern, werden sich die Völker vernichten.« Eine kurze Pause setzte ein, dann fuhr Penton fort: »Am Rande des Morgentauwaldes wachsen noch einige Farinen. Ansonsten können auch diese gelb-rot schimmernden Pflanzen die Gilkos wieder zu Kräften bringen.« Mit diesen Worten wandte er sich von Atan ab und verschwand unter seiner Wurzel.
Gilkos, das wusste Abraxmata von Hevea und den anderen Gilkos, die er kannte, waren, was ihre Nahrung anbelangte, sehr heikel. Sie aßen nur Farinenpflanzen, sonst nichts. Diese grün-blauen Pflanzen waren etwa einen halben Meter hoch und wuchsen, jedenfalls bevor sich hier alles so seltsam verändert hatte, an schattigen Stellen des Mondschattenwaldes. Die Gilkos verwendeten alles an dieser Pflanze: den langen, dünnen, gelblichen Stängel, die kräftigen, fleischigen Blätter und auch das orange-rote Fruchtmark, das sich in grünen runden Hülsen an der Ansatzstelle der Blätter befand. Hevea hatte ihm einmal erzählt, dass sie an einer Caressa sofort ersticken würde. Abraxmata konnte das nicht so recht glauben, er liebte Pilze. Doch anscheinend schien es wirklich zu stimmen.
Er folgte Atan durch den Wald, bis zu einem großen mächtigen Baum, der Abraxmata gut bekannt war. Es war ein Heinekinbaum und die Gilkos, die nicht gerade irgendwelche Botengänge zu erledigen hatten, hielten sich hier auf. Atan nahm ein besonders großes Blatt von ziemlich weit unten und suchte mit seinen Augen den Boden nach einem spitzen Gegenstand ab. Er hob einen kleinen Zweig auf und brach ihn sich zurecht. Dann ritzte er genau drei Wörter groß in das Blatt.
– Farinen – Morgentauwald – Inselblumen –
Die rote Flüssigkeit des Blattes strömte in die kleinen Ritzen nach und ließ die drei Worte hell erstrahlen, sodass sie auch von der Höhle ganz oben im Baum aus gut zu lesen sein mussten. Sorgfältig legte Atan das Heinekinblatt unter den Baum und beschwerte es an allen vier Ecken mit kleinen Steinen. Atan entfernte sich, doch Abraxmata beschloss, nach kurzem Zögern, nicht ihm zu folgen, sondern hier abzuwarten, was passieren würde, wenn die Gilkos die Nachricht fanden.
Die Sonne zog ihren Kreis Richtung Westen und begann sich golden zu färben. Stunden waren vergangen und nicht das Geringste passierte. Abraxmata wand sich von einer Position in die nächste. Erst war er eine Weile gestanden, dann hatte er sich hingesetzt, sich zusammengerollt, sich wieder hingestellt. Er konnte nicht mehr warten, schon allein wegen seiner Glieder, die ihn zu schmerzen begannen und weil er endlich wissen wollte, was hier eigentlich vor sich ging. Wenn ihn Atan und das Wesen, das Penton hieß – für das, was Penton war, kannte Abraxmata keine Bezeichnung, denn Penton war der Einzige seiner Art im Mondschattenwald – nicht wahrnehmen konnten, dann galt das mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch für die Gilkos. Abraxmata war noch nie in der Höhle des alten Heinekinbaums gewesen, obwohl er mit einigen Gilkos sehr gut befreundet war. Allerdings konnte er angesichts dessen, was ihm an diesem Tag bisher widerfahren war, nicht davon ausgehen, einen seiner Freunde dort oben zu treffen. Langsam näherte er sich dem verknorrten, oft in sich selbst verwundenen, alten Baum. Als er dicht davor stand und nach oben in das schwarze Loch des Höhleneingangs blickte, kam ihm der Baum plötzlich ungeheuerlich und der Weg nach oben schwierig und gefährlich vor. An seinen türkis behaarten Hinterbeinen hatte er zwar durchaus große, blaue, gebogene Krallen, aber die Krallen an seiner Vorderhand waren sehr viel schwächer, sodass rote Äderchen hindurchschimmerten. Außerdem war er kein Klettertier. Den Weg in seine Höhle konnte er bequem durch den Felsen nehmen, in den ein Weg geschlagen war.
Er krallte seine Pfote in die dicke schwarze Rinde und sprang mit den Hinterbeinen nach. Mit diesen konnte er sich so gut einkrallen, dass er bequem mit der Vorderhand ein Stückchen weiter nach oben gehen konnte. Trotz alledem war
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