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Abraxmata

Abraxmata

Titel: Abraxmata Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Bannert
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Farben von herbstlichem Laub: warme Rot-, Orange- und Erdtöne sowie alle Farben des Gelblichen und Grünlichen und etwas Lila und Blau. Abraxmata war von dieser Pracht so hingerissen, dass er gar nicht wahrnahm, dass niemand hier war. Als er sich dessen bewusst wurde, hörte er aus den Tiefen der Höhle Stimmen, denen er folgte. Er kam in einen hellen, lichtdurchfluteten Raum, der von einem leisen Surren erfüllt war. Er blickte zur Decke. Hunderte von Gilkos schlugen gleichmäßig mit ihren schönen Flügeln und standen in der Luft. Vor der hellweißen Decke kamen ihre blauen, durchschimmernden Flügel noch besser zu Geltung. Alle blickten auf einen schon älter erscheinenden Gilko mit einem schwarzen Haarschopf. Die Stirn seines runden Gesichts warf tiefe Falten, die untere Hälfte einschließlich der runden Knollnase verbarg er in seiner Hand und blickte zu Boden. Bis auf das Summen der Flügel war es totenstill im Raum. Ein kleines Gilkomädchen, das sehr fahl und blass in seinem für einen Gilko recht länglich wirkenden Gesicht aussah, begann plötzlich heftiger mit den Flügeln zu schlagen und sank dann nach unten. Zwei junge, kräftig wirkende Gilkos schossen zu ihr, zogen sie wieder nach oben und stützten das schwache Geschöpf. Während dieses Schauspiels hatte der Gilko, auf den sich nun wieder alle Aufmerksamkeit richtete, seinen Blick vom Boden gehoben und begann nun zu den anderen zu sprechen.
    »Nein, es darf nicht sein. Es darf nicht sein, dass sich zwei Völker, die seit vielen hunderttausend Jahren friedlich nebeneinander leben, gegenseitig umbringen. Denn nichts anderes ist es im Grunde genommen, was wir hier tun. Unsere Versuche, am Rande der versteckten Lichtung im Westen Farinen anzubauen, sind alle fehlgeschlagen. Offenbar haben sie noch große Mengen an Gift des blauen Mondschattenpilzes und werden jedes Samenkorn, das wir aussäen, wieder zunichte machen. Wir sollten unsere Samenvorräte lieber noch zurückhalten. Aber es muss schnell etwas geschehen, bevor die Ersten unserer Leute einen stillen Tod sterben. Wir sind nicht mehr weit davon entfernt.« Bei diesen Worten krümmte er sich, wie von einem stechenden Schmerz gepackt, und fuhr dann fort: »Ich werde losziehen und mit Kassantra, dem König der Eldoren, reden. Ich werde versuchen, mich mit ihm friedlich zu einigen. Der Tod des Eldorenund des Gilkokönigs vor zwei Jahren war ein Unfall und von niemandem beabsichtigt. Keiner dieser beiden mächtigen Könige hätte gewollt, dass sein Volk sich wegen seines Todes aus Rache selbst in den Tod stürzt. Ich werde unverzüglich aufbrechen. Drei meiner Männer werden mich begleiten.«
    Er nickte drei besonders großen Gilkos in der Runde zu, die ihm aus dem Raum hinaus folgten. Zurück blieb eine schweigende und erschütterte Menge. Das Schweigen hielt lange an, doch irgendwann begannen die ersten Gilkos miteinander zu tuscheln und sie strömten auseinander.
    Mit einem zusammengerollten Blatt an den Füßen kehrte einer der drei Begleiter zurück und flog geradewegs auf zwei Gilkos in einer Ecke des Raumes zu. Er redete mit ihnen. Über was, das konnte Abraxmata nicht verstehen, dazu war er zu weit weg. Die beiden Gilkos erhoben sich höher in die Luft und rauschten mit hoher Geschwindigkeit mit ihren besonders großen Flügeln, die silberne Spitzen hatten, an Abraxmata vorbei aus dem Raum.
    Abraxmata folgte dem Begleiter des Gilkokönigs, jedenfalls vermutete er, dass es sich bei dem Gilko, der nun versuchen wollte, den Krieg zu beenden, um den König der Gilkos handelte, hinaus aus dem weißen Raum in die Vorhalle. Dort beobachtete Abraxmata, wie die Gilkos als leuchtender blauer Punkt am Sternenhimmel verschwanden. Abraxmata überkam eine furchtbare Müdigkeit. Es musste schon sehr spät in der Nacht geworden sein. Er beschloss, den Abstieg in dieser Nacht nicht mehr zu wagen und lief zurück, weiter in die Baumhöhle der Gilkos hinein, um sich irgendwo einen netten Schlafplatz zu suchen. Das war gar nicht so einfach, denn die Gilkos bauten sich keine Nester oder weiche Nachtlager, sondern schliefen in der Luft, wie Fische, die zur Nachtruhe im Wasser stehen. Nachdem Abraxmata einen prächtigen Saal – mit golden schimmernden Wänden und einem weiß gestrichenen Holzboden, der wie Marmor glänzte, sowie einer mit Schnitzereien reich verzierten Decke – und eine Art Gasthaus mit einer Theke und Tischen mit Bänken, in dem noch reges Treiben herrschte, durchlaufen hatte, fand er

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