Abrechnung: Ein Fall für Kostas Charitos (German Edition)
Büro zurück. Mit demselben Gefühl betrete auch ich mein Büro. Zwar sind uns fünfzehn Einbrecher durch die Lappen gegangen, doch dafür haben wir Kyriakos Demertsis.
Ich werfe den Laptop an, um meine tägliche Übungsstunde zu beginnen. Doch wie es scheint, haben sich dunkle Mächte verschworen, meine computertechnische Weiterbildung zu behindern. Denn sobald ich nach der Maus greife, läutet das Telefon.
»Er ist in meinem Büro«, höre ich Peressiadis’ Stimme.
Ich lasse den Laptop stehen und fahre in die vierte Etage hoch. Peressiadis erwartet mich bereits auf dem Korridor.
»Er ist da drin. Sie können mit ihm sprechen, aber in einer Stunde muss ich ihn dem Ermittlungsrichter überstellen.«
Mein Gegenüber ist ein junger Mann Mitte zwanzig mit kurzem Vollbart, groß gewachsen und schmal. Auf seiner Nase sitzt eine Brille mit einem filigranen Metallgestell, er trägt Jeans und einen College-Pullover. Katerina hat recht, sage ich mir. So sieht kein Drogendealer aus, sondern das Paradebeispiel eines Nachwuchswissenschaftlers.
Er sitzt auf dem Stuhl vor Peressiadis’ Schreibtisch. Um dem Gespräch einen informellen Touch zu geben, vermeide ich den Schreibtisch, sondern nehme direkt ihm gegenüber Platz. Eine Weile blicken wir uns an, bis Demertsis als Erster das Schweigen bricht.
»Ich weiß nicht, wer Sie sind. Aber wenn Sie gekommen sind, um mich zu verhören, müssen Sie wissen, dass ich zugegeben habe, gedealt zu haben, und mein Geständnis schon unterschrieben ist. Darüber hinaus kann ich Ihnen nichts sagen.«
Sein Tonfall ist ganz ruhig und ohne aggressive Untertöne, so als gebe er eine offizielle Erklärung ab.
»Ich bin Kommissar Charitos, der Vater Ihrer Strafverteidigerin Katerina Charitou«, erwidere ich im gleichen Stil. Demertsis reagiert vorerst nicht, sondern wartet die Fortsetzung ab. »Ich bin weder hier, um Sie zu vernehmen, noch, weil mich meine Tochter hergeschickt hat. Ich bin hier, weil mich Ihr Fall neugierig gemacht hat.«
»Ihre Tochter macht gute Arbeit«, sagt er. Darauf, was meine Neugier geweckt haben könnte, geht er gar nicht ein. »Ich weiß nicht, ob Sie ihre Mandanten kennen, aber zusammen mit ihrer Partnerin setzt sie sich mit großem Engagement für Drogenabhängige ein.«
Ich bin schon drauf und dran, ihn zu fragen, wie es kommt, dass ein Drogendealer sich über Manias und Katerinas Hilfe für die Drogenabhängigen freut. Das müsste doch seinen Interessen zuwiderlaufen. Doch ich verkneife mir die Bemerkung.
»Ich will Ihnen nicht verhehlen, dass ich Ihre Akte gelesen habe. Und ich wundere mich, dass sich ein junger Mann wie Sie, studiert und aus wohlhabendem Haus, als Drogendealer betätigt.«
»Ich habe das Geld gebraucht«, antwortet er schlicht.
»Alle brauchen wir Geld, besonders heutzutage. Ich verstehe ja, dass Sie sich nicht von Ihrer Familie aushalten lassen wollen. Aber Sie könnten Ihren Lebensunterhalt aufgrund Ihrer Ausbildung verdienen, mit Unterricht an einem Nachhilfeinstitut zum Beispiel. Auch meine Tochter hat das eine Weile lang gemacht. Ich behaupte nicht, dass sie sich davon eine Wohnung kaufen konnte, aber ein bisschen was hat sie schon verdient.«
»Ich unterrichte bereits an mehreren solchen Instituten, um über die Runden zu kommen, aber ich brauche wesentlich mehr Geld.« Er registriert meine Verwunderung und fährt fort: »Haben Sie einen Zettel, Herr Kommissar?«
Ich reiße ein Blatt von Peressiadis’ Notizblock und überreiche ihm einen Kugelschreiber. Er schreibt etwas darauf nieder und gibt es mir zurück. Mein Blick fällt auf eine Handynummer und den Namen Pavlos.
»Sagen Sie Ihrer Tochter, sie soll Pavlos anrufen. Er wird ihr erklären, wofür das Geld gebraucht wird.«
Gerade als ich ihn Näheres zu diesem Pavlos fragen will, springt die Bürotür auf, und ein Mann um die sechzig stürmt herein, mit einem Fünfzigjährigen im Schlepptau, der ihn zu beschwichtigen versucht: »Immer mit der Ruhe, Herr Demertsis, immer mit der Ruhe!«
Demertsis senior wirkt jedoch durchaus beherrscht. Er bleibt einen Schritt vor dem Stuhl stehen, auf dem sein Sohn sitzt. Anscheinend hat Kyriakos den Besuch erwartet, denn er blickt ungerührt zu ihm hoch.
»Was hast du dir jetzt wieder Neues einfallen lassen?«, fragt er seinen Sohn in verhaltenem Ton. »Was hast du mit Drogenhandel zu schaffen? Du nimmst ja nicht einmal eine Zigarette in den Mund. Der einzige Grund, der mir einfällt, ist: Du willst mich in Verlegenheit und in Verruf
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