Absätze – Dramatische Kraftzellen im Roman
legen. Den Grund
dafür werden sie jedoch eher im Inhalt verorten. Mancher –
vergleiche das Bild mit den Gitterstäben – wird das Buch
schon vor dem Anfang weglegen.
Beide Autoren missachten die angenehme Abwechslung im
Rhythmus eines Textes: mal schneller, mal langsamer, doch im
Ganzen das Tempo immer weiter erhöhend.
Vielleicht sollten Kapitel gegen Ende immer kürzer werden?
Probieren Sie es aus.
Mit effektiver Absatzgestaltung machen Sie Ihren Roman
angenehmer und leichter lesbar. Viele Sachtexte und
wissenschaftliche Werke jedoch kranken an einem klobigen
Layout. Dem Leser wird die Aufnahme erschwert, da die
Informationen zu massiv oder zu ungeordnet auf ihn
einprasseln. Solche Textwüsten deuten meist auf eine
Gedankenwüste im Autor hin: Er beherrscht das Thema nicht,
das er doch vermitteln will.
Auf fiktionale Texte lässt sich das nicht so einfach
übertragen. Das Fehlen von Absätzen fungiert manchmal als
Stilmittel – ein innerer Monolog, vielleicht gar ein
Gedankenstrom wirkt ohne Absätze stärker, weil
authentischer. Oder ein wuchtiger Absatz kann eine wuchtige
Persönlichkeit charakterisieren.
Andere Romane wollen – wie bei Patterson – dem Käufer die
gute Lesbarkeit als Story-Happen für Zwischendurch
weismachen: »Ich weiß, du hast keine Zeit für Bücher. Aber
sieh dir doch nur meine vielen Absätze und Kapitel an – in
mich kannst du kurz reinschauen, bis der Kaffee fertig ist
oder bis die Ampel auf Grün springt, ich zwinge dich nicht
dazu, mich in einem Rutsch durchzulesen.« Ist das Buch
jedoch spannend, wird sich dieses Versprechen als Lockmittel
entpuppen; auch der absatzreiche Text lässt den Leser nicht
los.
Will man den Leser nicht aus seinem fiktionalen Traum
reißen, empfiehlt sich eine optische Gliederung, wie sie der
Leser aus den meisten anderen Büchern gewohnt ist. Wenn Sie
etwas anderes versuchen, müssen Sie damit rechnen, dass das
Layout mehr Aufmerksamkeit auf sich zieht als Ihre
Geschichte.
Begleiten Sie mich zum Abschluss dieses Abschnitts auf eine
Wanderung. Stellen Sie sich dazu die Absätze als Berge vor,
die der Leser auf dem Weg durch den Text überwinden muss –
je länger der Absatz, desto höher der Berg. Blättert der
Leser um und sieht zwei Seiten vor sich mit vielleicht nur
einem, gewaltigen Berg, wird er es sich womöglich überlegen,
ob er weiterliest oder ob er das Buch zur Seite legt; diesen
Berg traut er sich heute einfach nicht mehr zu.
Natürlich kann es sich lohnen, einen hohen Berg zu
erklimmen, aber es gibt viele, die vor der Mühe
zurückschrecken. Die meisten Wanderer schätzen weder
Flachland noch Hochalpines, am liebsten marschieren sie
durch die guten, alten Mittelgebirge.
4. Absätze als Mittel zur Gewichtung
Steht ein Satz in einem eigenen Absatz, verleiht ihm das
ein höheres Gewicht, als wenn er sich den Absatz mit anderen
Sätzen teilen müsste.
Der Regen durchnässte Gretes Haar, als sie aus dem Auto
stieg. Der Waldweg vor ihr verlor sich hinter Dämmerung und
Schlieren. Sie fühlte sich frei. Durch den Matsch stapfte
sie nach hinten und öffnete den Kofferraum. Auf den blauen
Müllsäcken lagen Spitzhacke und Schaufel, noch unbenutzt; an
der Schaufel klebte grell das Preisschild aus dem Baumarkt.¶
So der ungewichtete Text. Und hier der gewichtete:
Der Regen durchnässte Gretes Haar, als sie aus dem Auto
stieg. Der Waldweg vor ihr verlor sich hinter Dämmerung und
Schlieren.¶
Sie fühlte sich frei.¶
Durch den Matsch stapfte sie nach hinten und öffnete den
Kofferraum. Auf den blauen Müllsäcken lagen Spitzhacke und
Schaufel, noch unbenutzt; an der Schaufel klebte grell das
Preisschild aus dem Baumarkt.¶
Durch den eigenen Absatz für »Sie fühlte sich frei.«
bekommt der Text eine tiefere emotionale Qualität: Gretes
Gefühl rückt in den Mittelpunkt.
Das lässt sich noch weiter intensivieren, das Gefühl der
Freiheit dem Leser noch näherbringen:
Der Regen durchnässte Gretes Haar, als sie aus dem Auto
stieg. Der Waldweg vor ihr verlor sich hinter Dämmerung und
Schlieren.¶
Sie fühlte sich frei.¶
Frei.¶
Je nachdem, ob ein Satz einen Absatz abschließt oder ob er
den nächsten Absatz einleitet, ergeben sich unterschiedliche
Gewichte.
Grete und Hans umarmten sich. Grete spürte die Hand ihres
Mannes, wie sie sich fest an ihre Hüfte drückte, fest und
immer fester
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