Abscheu
und küsse ihn auf den Mund. Er schmeckt gut nach Champagner und riecht noch besser.
»Willst du wirklich heute Abend noch aufräumen?«, flüstert er an meinen Lippen.
Ich küsse ihn noch einmal. »Eigentlich schon.«
»Kann ich dich nicht dazu überreden, es auf morgen zu verschieben?«
»Wie wolltest du mich denn überreden?«
Er sieht mich nur an. Wortlos. Ich spüre seine großen Hände um meine Taille. Mit dem Daumen fährt er hinauf, berührt meine Brüste und massiert ganz sanft meine Brustwarzen, die sich unter dem glänzenden Stoff meines Abendkleides blitzschnell zusammenziehen. »So vielleicht?«, fragt er lächelnd.
»Ich weiß nicht …«, stöhne ich.
Vorsichtig, um nichts kaputt zu machen, öffnet er den Reißverschluss meines Kleides ein Stück weit, fährt mit einer Hand über meinen nackten Rücken und dann weiter nach unten bis knapp unter den Rand meiner Spitzenunterwäsche.
»Ich will mit dir schlafen«, sagt er atemlos.
»Hier?« Ich blicke mich um. Dunkelheit. Mondlicht. Raschelnde Blätter.
Ohne dem noch etwas hinzuzufügen, hebt er mich hoch und trägt mich in seinen Armen hinein, schließt die Haustür und geht durch in die Küche. Dort setzt er mich auf die Granitarbeitsplatte der Kochinsel. Er hält mich fest, fährt mit beiden Händen über meine Taille und weiter nach oben, küsst mich wieder, jetzt auf den Hals und das Dekolleté.
Obwohl Harald ein wenig beschwipst ist, spürt man in seinen Bewegungen kaum etwas davon. Sie sind beherrscht wie immer. Bei Harald brauche ich nie Angst zu haben, dass er in seiner Erregung über das Ziel hinausschießt und mir wehtut. Instinktiv nimmt er Rücksicht auf den Unterschied in Größe und Kraft zwischen uns. Seine verhaltene Energie ist unglaublich sexy. Ebenso wie der Tatort, denn Harald und ich haben es noch nie in der Küche getan. Als er jetzt die Initiative dazu ergreift, zittere ich vor Erregung.
Ich will, dass er weitermacht. Ich will seinen großen Körper über mir, in mir spüren, ich will ganz in ihm aufgehen, mich in ihm verlieren.
Ich liebe diesen Mann so sehr!
»Willst du immer noch aufräumen?«
»Nein. Nicht mehr.«
»Gut so. Ich habe schon an meiner Überredungskraft gezweifelt. Und an meiner Männlichkeit.«
Ich löse seine Gürtelschnalle und fummle an seinem Reißverschluss. »Harald, eins steht fest: Wenn es irgendetwas gibt, an dem du nie, wirklich niemals, zu zweifeln brauchst, dann ist das deine Männlichkeit. Glaub mir. Die ist hundertprozentig in Ordnung.«
12
Es ist Montagmorgen, die Kinder sind in der Schule, und Harald arbeitet im Büro. Ich komme gerade von einem ruhigen Ritt am Wasser entlang nach Hause und führe Humboldt am Halfter zur Weide, wo Donky, unser Minishetlandpony, ihn mit erhobenem Kopf erwartet. Ich öffne das Tor, hake den Strick los und schnalze mit der Zunge. Jedes andere Pferd hätte jetzt den Boden unter sich erbeben lassen, indem es losgerannt wäre oder zumindest vor Freude einen Bocksprung gemacht hätte, aber Humboldt beschleunigt nicht einmal seine Gangart. Er spaziert in gemächlichem Tempo auf die Weide. Drei, vier Schritte, dann senkt er das Maul zu dem saftigen Gras: Er mag nichts lieber als Fressen.
Den Führstrick locker in der Hand, bleibe ich stehen. Ich lege die Unterarme auf den Zaun und lausche dem Mahlen von Humboldts Zähnen. Ich beobachte, wie die Tiere mit ihren Schweifen Fliegen und andere Insekten von ihren Flanken verjagen.
Als Kind bin ich nie mit Pferden in Kontakt gekommen, außer einmal im Jahr auf der Kirmes. Dort gab es unweigerlich ein paar stechend riechende Ponys mit stumpfen Augen, auf denen man für einen Gulden eine Runde reiten durfte.
Ich habe erst angefangen, Reitstunden zu nehmen, als Harald ein Jahr nach Fleurs Geburt auf die Idee kam, Humboldt anzuschaffen. Kurz zuvor hatten wir die Weide hinter dem Haus dazukaufen können, und darauf gehörten natürlich Tiere. Der verrostete Schuppen, in dem der frühere Besitzer kaputte Werkzeuge und anderen Müll gesammelt hatte, wurde von einem Bauunternehmer abgerissen und stattdessen ein geräumiger Stall mit Paddock, Misthaufen und Waschplatz gebaut. Der Stall besteht aus denselben gebeizten Brettern wie unsere Garagenscheune. Er liegt ungefähr zwanzig Meter von der Weide und etwa hundert Meter vom Haus entfernt. Von dort aus ist der Stall durch das dichte Gebüsch kaum zu sehen.
Ich halte mich oft rund um den Stall auf, vor allem an sonnigen und windstillen Tagen. An der Stallmauer steht
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