Abscheu
werden, und ich habe keine Termine.
»Bist du mit dem Auto da?«
Er zieht eine Augenbraue hoch. »Warum?«
»Die Leute hier reden ziemlich schnell. Wo steht es?«
»Natürlich direkt vor deiner Tür, Schnucki. Und, zufrieden?«
Ich sehe ihn schweigend an.
Er zeigt in Richtung des Waldes. »Dahinter. Auf dem Feld.«
Reddy springt von den Strohballen herunter, trippelt über den hölzernen Rand der Boxen, stellt ihre Pfötchen auf die Leiter und klettert hinunter.
»Wie kommt es, dass Marius frei ist?«, frage ich. »Er müsste doch noch …«
»Früher entlassen wegen guter Führung.«
Voller Angst beobachte ich, wie Reddy auf uns zukommt. Mit erhobenem Schwanz trippelt sie auf Chris zu, nimmt Anlauf und landet mit einem kleinen Sprung neben ihm auf dem Mäuerchen. Sie sieht ihn interessiert an und bettelt nachdrücklich um seine Aufmerksamkeit.
Chris ignoriert sie.
»Was will er von mir?«
Chris schnauft, zieht lautstark die Nase hoch und zieht an seiner Zigarette. Er blickt dem Rauch nach. Dann sagt er langsam: »Dich, Claire. Er will dich.«
Drei
Im Rückspiegel sehe ich Carel Kapteijns immer kleiner werden. Er blickt mit ausdruckslosem Gesicht über den Deich und hat mich wahrscheinlich bereits wieder vergessen. Als was für ein knickriger Kleinkrämer hat sich der Kerl herausgestellt, ein kleinkarierter Spießer. Schrecklich!
Und wie habe ich mich verrechnet! Ich war mir so sicher, dass ich seine denkmalgeschützte Mühle noch in dieser Woche zum Verkauf anbieten könnte. Ich hatte sogar schon einen ernsthaften Interessenten dafür, einen Arzt, der sich in dieser Umgebung wunderbar zu Hause gefühlt hätte, der sogar schon eine ganze Weile auf der Suche nach einem derart einzigartigen Objekt war.
Aber von mir wird Carel das nicht erfahren. Lieber beiße ich mir die Zunge ab.
Wütend schalte ich in den dritten Gang und weiche einem Fahrradfahrer aus. Verdammt! Ravelin ist das einzige Immobilienbüro weit und breit, das den Verkauf dieser Mühle abwickeln kann. Das weiß Kapteijns ganz genau, und dennoch hat er sich anders entschieden. Nur des Geldes wegen. Er hat nicht einmal versucht, es zu verschleiern, sondern schien sich sogar einen Spaß daraus zu machen, es mir unter die Nase zu reiben.
Es stört mich ungemein, dass Makler schon seit einiger Zeit keine geschützte Berufsbezeichnung mehr ist. Infolgedessen sind im Eiltempo scharenweise Kollegen hinzugekommen. Leider sind es vor allem solche Leute, die die Arroganz besitzen, sich Makler zu nennen, obwohl sie keine Ahnung von dem Geschäft haben. Schlimmer noch: Sie haben nicht mal Lust, sich das nötige Fachwissen anzueignen.
Doch ob sie Ahnung haben oder nicht – es ist nun einmal eine schmerzliche Tatsache, dass wir uns alle auf demselben Markt tummeln. Gleichzeitig werden immer weniger schöne, alte Objekte in Spitzenlagen angeboten, einfach, weil sie nicht mehr gebaut werden.
Für den Verkauf braucht man im Grunde gar keinen Makler mehr zu engagieren. Denn warum sollte man jemandem für Zehntausende Euro den Auftrag erteilen, sein Haus zu verkaufen, wenn es so ein Hanswurst, der sich Makler schimpft, für einen Bruchteil dieses Preises erledigt? Oder wenn man es selbst unter der Hand bequem an einen Freund oder Geschäftspartner verschachern kann? Der Notar wird alles Übrige schon regeln.
Ich bin nur noch gut für verlässliche Schätzungen.
Carel Kapteijns hat es mir gerade mal wieder deutlich gezeigt, indem er seine kostbare Mühle von einem dieser schnellen, hohlen Marketingjungs verkaufen lässt.
Kosten. Darum ging es ihm. Der Preis. Die Courtage.
Dieser hinterhältige Geldhai!
Aber Kapteijns wird sich noch wundern. Der wird es noch bereuen, schon sehr bald, und dann werde ich dafür sorgen, dass ich keine Zeit mehr für ihn habe. Ich darf nicht vergessen, Angela einzuschärfen, dass ich für diesen Kerl nicht zu sprechen bin, falls er anruft. Sollen sich doch Anton oder Robertjan mit ihm herumschlagen.
Glücklicherweise gibt es aber immer noch Leute, die Qualität zu schätzen wissen. Die es wichtig finden, dass ihre geliebte Immobilie in gute, treue Hände kommt und auf stilvolle Art und Weise veräußert wird. Und die dafür gerne ein bisschen mehr anlegen.
Das sind meine Kunden. Denen helfe ich gern. Und sie kommen gerne zu mir, denn mein Ruf ist tadellos.
In dieser Hinsicht habe ich meinem Vater und meinem Großvater viel zu verdanken. Sie haben mir den Weg geebnet, ich brauche ihn nur zu unterhalten. Dass mir das
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