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Abscheu

Abscheu

Titel: Abscheu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef
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eine Holzbank mit dünnen, dunkelroten Kissen, von wo aus ich die Weide, die Pferde und den Wasserlauf in der Ferne überblicke. Mich draußen aufzuhalten, beruhigt mich, und dieser Ort ist womöglich der schönste und beruhigendste auf unserem ganzen Grundstück, vielleicht hauptsächlich wegen des unglaublichen Luxus von so viel Platz und absoluter Privatsphäre.
    Als ich die Ställe betrete, saust eine Bauernschwalbe an mir vorbei. Jedes Jahr hängt ein Nest unter dem Dachfirst. Ich höre noch keine Jungen piepsen, aber die werden sicher nicht mehr lange auf sich warten lassen.
    Schräg über mir schleicht Reddy über die Strohballen, die auf den Pferdeboxen liegen. Ihr Bauch hat noch immer den Umfang einer Melone, aber die Katze erweckt nicht den Eindruck, dass sie bald werfen wird. Von ihrem hohen Standort aus blickt sie mich herausfordernd an und miaut.
    Ich miaue zurück. Dann nehme ich Humboldts Trense vom Sattel und gehe damit zum Waschbecken. Unter einem kräftigen Wasserstrahl reinige ich das glitschige Gebiss. Dann hänge ich die Trense an ihren Platz – einen Nagel, über den Fleur mit schwarzem Stift »Humboldt« geschrieben hat – und ziehe die Schabracke unter dem Sattel hervor. Sie fühlt sich noch feucht und warm vom Reiten an und ist mit hellbraunen Haaren bedeckt. Ich klopfe so viele wie möglich davon ab und lege die Schabracke oben auf den Sattel, damit sie auslüften und trocknen kann.
    Ich bin so in meine Tätigkeit vertieft, dass es eine Weile dauert, ehe ich bemerkte, dass jemand in der offenen Stalltür steht.
    Vor Schreck mache ich einen Satz rückwärts.
    Das gefällt ihm. Zufrieden lächelnd kommt er herein. Anerkennend blickt er sich um und schlendert dann gespielt lässig auf mich zu. »Ich beobachte dich schon seit einer ganzen Weile, und ich muss schon sagen: Du hast es nicht schlecht getroffen.«
    Ich weiche zurück, darauf bedacht, mindestens zwei Meter Abstand zwischen uns zu lassen. Ich blicke mich um, finde aber nichts, was ich als Waffe gebrauchen könnte. Nicht gegen jemanden wie Chris.
    Sein blaues Hemd ist fast bis zum Bauchnabel geöffnet, sodass man seine Brust und eine dünne Goldkette sehen kann. Dazu trägt er eine Leinenhose und Sneakers. Die Sonnenbrille hat er auf den Kopf geschoben. Mit verschränkten Armen bleibt er stehen. »Da hast du dich wohl ins warme Nest gesetzt. Dabei ist er nicht mal ein alter Sack, dieser van Santfoort? Und gar nicht mal so hässlich, wie ich gesehen habe. Gut gemacht.«
    Ich balle die Fäuste. »Hau ab!«
    Er lacht.
    »Was willst du von mir?«
    »Ich? Nichts.« Noch einmal sieht er sich abschätzig um und fährt mit einer Hand über Humboldts Sattel. »Marius will mit dir reden.«
    Marius.
    Als ich Chris seinen Namen aussprechen höre, erschrecke ich wieder. Ich fange an, am ganzen Körper zu zittern. Ich reibe nervös über meinen Hals und blicke an Chris vorbei hinaus, voller Angst, dass Marius dort irgendwo wartet, dass er jeden Moment hereinkommen könnte.
    Aber ich sehe niemanden.
    Die Pferde grasen ungestört weiter, und ihre Schweife schlagen ruhig von einer Flanke zur anderen. Wenn ich mich konzentriere, kann ich ihre Zähne mahlen hören. Die Sonne scheint. Ein gelber Schmetterling flattert vorüber.
    Warum donnert und blitzt es nicht?
    »Marius sitzt doch im Gefängnis?«, frage ich schließlich. »In Norwegen?«
    »Nicht mehr.«
    »Warum kommt er nicht selbst?«
    »Du kennst ihn doch. Es ist nicht sein Stil, einer Frau hinterherzulaufen.«
    »Also tust du es für ihn.«
    Chris zuckt mit den Schultern, zieht ein Päckchen Pall Mall aus der Innentasche und klappt es auf. Er bietet mir eine an.
    Ich lehne kopfschüttelnd ab.
    Er bricht den Filter seiner Zigarette ab und steckt sie an. Dann blickt er durch eine Wolke von grauem Rauch hindurch zu mir herüber. »Marius ist immer anständig zu mir gewesen.«
    »Kann schon sein.«
    Seine Augen verengen sich. »Er ist auch immer anständig zu dir gewiesen, soweit ich mich erinnern kann.« Seine Stimme klingt zutiefst vorwurfsvoll.
    Ich nicke. Jetzt, da ich erkannt habe, dass Marius nicht bei ihm ist, ebbt die Panik ein wenig ab und ich mache mir hauptsächlich Sorgen über Chris’ Anwesenheit. Angenommen, die Nachbarn haben ihn gesehen und tratschen darüber? Harald erwarte ich so bald noch nicht zurück. Er hat heute zwei Besichtigungen, einen Termin mit einem Architekten und eine Schätzung. Die Kinder müssen erst in anderthalb Stunden zum Mittagessen von der Schule abgeholt

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