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Abscheu

Abscheu

Titel: Abscheu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef
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Griff.
    Ich versuche, meinen Kopf loszureißen. Versuche, ihm in die Hand zu beißen und zu schreien. Ich knurre und rucke mit den Armen. Alles vergeblich.
    »Pscht!«, zischt er.
    Ich sperre die Augen auf und trete nach hinten, in dem Versuch, meinen Angreifer dort zu treffen, wo es wehtut, aber er hat damit gerechnet, und so verliere ich lediglich meinen zweiten Schuh.
    »Claire!«, flüstert er eindringlich. »Jetzt führ dich doch nicht so auf! Beruhige dich.«
    Ich verdrehe meinen Oberkörper in alle Richtungen und stoße tiefe, kehlige Geräusche aus. Humboldt wiehert unruhig. Das Pony läuft nervös auf und ab und tritt gegen die Boxentür.
    »Claire, ich bin es, hey! Ganz ruhig. Verdammt noch mal.«
    Prompt bleibe ich still stehen, jedenfalls versuche ich es. Aber durch den Adrenalinschub zittere ich am ganzen Körper. Ich schaffe es nicht, mich zu beherrschen. Der Rotz läuft mir aus der Nase.
    »Wirst du jetzt still sein?«
    Ich nicke so gut ich kann. Mit einer Hand umschließt er noch immer mein Gesicht, aber nicht mehr so fest, sodass ich durch seine Finger atmen kann.
    »Wirst du nicht schreien?«
    Ich schüttele den Kopf.
    »Wirklich nicht?«
    Wieder verneine ich.
    Vorsichtig nimmt er die Hand weg und fasst mich sofort an den Schultern. Er dreht mich um, sodass wir einander gegenüberstehen.
    Angst, Überraschung, Erleichterung, Wut und eine Flut weiterer, teils widersprüchlicher Gefühle durchströmen mich. Ich war felsenfest davon überzeugt, dass Chris der Eindringling war. Dass er Rache nehmen wollte, weil er seinen besten Freund leblos in der Kajüte der »Esmeralda« gefunden und herausbekommen hatte, dass nur ich dafür verantwortlich sein konnte. Ich bin mir so sicher gewesen, dass ich noch immer kaum fassen kann, nicht Chris, sondern Marius gegenüberzustehen.
    »Du hast mich fast zu Tode erschreckt«, bringe ich endlich hervor. Meine Stimme klingt rau und schrill.
    Er lacht leise. »Ja, das hat man gemerkt.«
    »Warum schleichst du hier herum?« Unwillkürlich greife ich in meine Manteltasche, in der das Marius-Handy inzwischen seinen festen Platz hat. »Warum … hast du mir keine Nachricht geschickt?«
    »Warum stellst du so viele Fragen?«
    »Ich …« Ich stoße einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus. Erst jetzt wird mir klar, was für ein Glück ich gehabt habe.
    Kein durchgedrehter, zum Serienmörder mutierter Chris. Den Pferden fehlt nichts. Der Stall steht nicht in Flammen.
    Es ist Marius, und er lebt.
    Ich hätte heulen können vor Freude.
    Marius spürt sofort, was in mir vorgeht. Er hat meine Stimmungen immer intuitiv erfasst, nutzte diese Fähigkeit allerdings ausschließlich für seine eigenen Interessen aus. »Jetzt stelle ich mal die Fragen, ja?«, flüstert er. »Mich bewusstlos auf der Yacht zurückzulassen, war wirklich unmöglich von dir … Warum hast du dich an dem Abend so bescheuert benommen?«
    »Es tut mir leid.« Diesmal meine ich es ernst.
    »Ich hätte tot sein können, verdammt noch mal.«
    »Ich habe es nicht absichtlich getan.« Vorsichtig strecke ich die Hand aus und streiche über sein Gesicht und seinen Kopf. An der linken Schläfe hat er eine Beule. »Es tut mir leid«, sage ich noch einmal.
    Marius zieht scharf die Luft ein, als ich mit den Fingerspitzen über seine Schläfe fahre. Dann nimmt er meine Hand. »Schluss jetzt. Es tut immer noch weh. Ich habe dich etwas gefragt.«
    »Was denn?«
    »Warum hast du dich auf dem Boot so bescheuert verhalten?«
    Ich schüttele den Kopf. Was soll ich sagen? Die Wahrheit? Ich habe Angst vor dem, was du in mir auslöst, Marius, eine Heidenangst vor dem Aufruhr, den du in meinem Herzen, in meinem Kopf und in meinem Leben verursachst, und vor den unabwendbaren Konsequenzen .
    »Claire?«
    Mir läuft eine Träne über die Wange. Ich wische sie mit dem Ärmel weg.
    »Warum heulst du denn jetzt?«
    Erneut schüttele ich den Kopf und ziehe die Nase hoch. »Ich bin einfach … Mir ist eben fast das Herz stehen geblieben. Ich dachte, dass … Ich habe geglaubt, dass jemand den Pferden etwas antun würde.« Dann blicke ich auf. »Was tust du hier eigentlich, Marius? Mitten in der Nacht.«
    »Ich konnte nicht schlafen.«
    »Das erklärt immer noch nicht, warum du hier bist.«
    Er schweigt einen Augenblick. Dann sagt er: »Diese Sache mit dem Handy, das war gemein von mir. Unfair. Der falsche Ansatz.«
    Ich ziehe die Augenbrauen hoch. Marius, der sich bei mir entschuldigt?
    »Gestern Nacht war ich auch schon hier«, fährt er

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