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Abscheu

Abscheu

Titel: Abscheu Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Esther Verhoef
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Körper.
    »Verdammt, es ist noch da«, flüstert er.
    Ich weiß sofort, dass er nicht das Geld meint. Es liegt am Klang seiner Stimme und der spürbaren Spannung zwischen uns, die plötzlich wieder aufflammt.
    »Oder?«, drängt er.
    Ich fiepe etwas Unverständliches. Dann sage ich leise: »Ich habe damit abgeschlossen, Marius. Ich habe nichts mit Afrika zu tun, ich möchte keine …«
    In einer fließenden Bewegung zieht er mich auf seinen Schoß, und wie von selbst lege ich den Kopf an seine Schulter.
    »Das weiß ich doch«, flüstert er mir ins Ohr.
    Wieder erschauere ich, aber nicht vor Kälte. Ich will seine Lippen auf meinen spüren. Seine Zunge schmecken. Ich will …
    »Ich habe dich niemals vergessen können«, flüstert er. »Niemals …« Mit der Nase fährt er über mein Ohr, und ich spüre seine Zunge, feucht und zielstrebig.
    »Nein«, stoße ich hervor, fast stöhnend. »Nein … Nicht … Nicht hier. Nicht in meinem …«
    »In deinem Territorium?«
    Ich nicke erleichtert. »Ich würde den Stall für immer mit dir in Verbindung bringen«, flüstere ich zitternd. »Das will ich nicht. Dieser Ort bedeutet …«
    »Beschmutze ich dein sicheres, sauberes Nest, Claire Andijk? Liegt es daran?«
    »Ich weiß nicht einmal, ob … ich …«
    »Psst, ganz ruhig«, sagt er, legt mir den Zeigefinger auf die Lippen und schiebt mich von seinem Schoß. »Komm Mittwochabend auf das Boot.«
    Erschrocken sehe ich ihn an.
    Er grinst, dass man die Reihen seiner Zähne sieht, und starrt mich mit durchdringendem Blick an. »Ein Mal. Gib mir das. Ich schwöre dir, dass ich dich danach nicht mehr belästigen werde.«
    »Das schwörst du?«
    »Ehrenwort, Muschi.«

31
    Humboldt dreht die Ohren hin und her. Er hebt kaum die Hufe vom Boden und schlägt heftig mit dem Schweif, als würde er von Bremsen belästigt. Aber es sind keine Insekten – ich bin es, die ihn plagt.
    »Jetzt werd doch mal wach, Claire! Er latscht schon die ganze Zeit auf der Vorderhand und läuft dir gegen den Zügel!«
    »Ich weiß!«
    »Dann tu doch endlich etwas!« Marie-Therèse Hofman, meine Reitlehrerin, verfolgt meine mäßigen Fortschritte von der Mitte unseres Außenreitplatzes aus. Entnervt verzieht sie das Gesicht. »Nein, nicht so … Nein, das ist immer noch nicht gut.«
    Marie-Therèse hat früher zum nationalen Spitzenkader der Dressurreiterinnen gehört. Zu Hause bewahrt sie ganze Mappen voller Zeitungsausschnitte auf, und an den Wänden hängen Fotos ihrer Erfolge. Ein unglücklicher Sturz von einem jungen, schreckhaften Pferd setzte ihrer Karriere als Dressurreiterin ein Ende. Nach jahrelangen Reha-Maßnahmen hat sie wieder laufen gelernt, aber leistungsorientiertes Reiten ist ihr nicht mehr möglich.
    Damals hat sie Haus und Hof verkauft und ist mit ihrer Familie in einen umgebauten Bauernhof hier in der Nähe gezogen. Harald hat ihrer Familie in dieser Phase mit Rat und Tat zur Seite gestanden. Seine Eltern und die von Marie-Therèse kannten sich wohl von früher. Heute leitet sie einen erfolgreichen Zuchtstall und bildet junge, vielversprechende Reiter aus.
    Zu denen gehöre ich offensichtlich nicht.
    »Denk an deine Fersen! Wenn ich gleich ausfallend werde, bist du selber schuld.«
    Wenn ich heute Morgen weniger benebelt gewesen wäre und auf den Kalender gesehen hätte, hätte ich festgestellt, dass es der zweite Dienstag im Monat ist, an dem ich meine feste Unterrichtsstunde zu Hause erhalte. Aber ich war nicht klar im Kopf, und das macht alles nur noch schlimmer.
    »Das arme Pferd! Ich kaufe ihn auf der Stelle von dir zurück, wenn du weiter so herumstümperst!«
    Das war ein Witz mit ernstem Unterton. Humboldt hat vorher ihr gehört, sie ist mit ihm auf Turniere gegangen. Während ihrer Zeit in der Reha hat er sich eine ernsthafte Verletzung zugezogen, die nie richtig geheilt ist. Bei zu starker Belastung macht sie ihm zu schaffen. Deswegen ist er bei uns bestens aufgehoben: Wir verlangen nicht viel von ihm.
    »Du gibst widersprüchliche Hilfen.«
    Ich habe letzte Nacht kein Auge mehr zugetan, nachdem Marius gegangen war. Nachdem ich heute Morgen Harald zur Tür hinausbugsiert und die Mädchen zur Schule gebracht hatte, bin ich auf dem Sofa eingeschlafen wie ein Stein.
    Marie-Therèse hat mich wachgeklingelt, und ich war zu benebelt, um mir auf die Schnelle eine Ausrede einfallen zu lassen. Vielleicht sollte ich das nachholen. Wir trainieren erst seit einer Viertelstunde.
    Ich reite in die Mitte des Platzes und pariere Humboldt

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