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Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)

Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)

Titel: Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Boscher
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Wertvollste an, was ich damals besaß: meine Aufzeichnungen.
    Minutenlang stand ich benommen da, hielt meine Aufzeichnungen in der ausgestreckten Hand Eva noch entgegen, als sie schon lange meine Gabe verschmähend lachend um die Ecke des Festzeltes verschwunden war.

Zweites Kapitel
    Wille und Vorstellung
     
    1.
     
    Nach meiner Begegnung mit Eva verging einige Zeit, bis ich weitere Erfahrungen in Liebesdingen sammeln durfte. Aber dann konnte ich plötzlich feststellen, dass mein Typ gefragt war. Nicht, dass ich mich großartig geändert hätte, aber offensichtlich hatten die Mädchen genug von Sportlertypen, und mit dem Beginn der Oberstufe war dann doch mehr der intellektuelle, verständnisvoll-ruhige Typ gesucht. Und ich gab mir wirklich alle Mühe, gefunden zu werden.
    Was sich als unschätzbarer Vorteil erwies, war, dass ich zum einen nicht zu intellektuell, zum anderen aber auch nicht zu unsportlich aussah: Obwohl ich seit frühester Kindheit – und bevorzugt unter der Bettdecke bei Taschenlampenlicht – viel gelesen hatte, brauchte ich keine Brille, und obwohl ich – aufgrund meiner orthopädischen Schwierigkeiten – von jeglichem Sport befreit war, sah mein Körper nicht nach mangelnder Bewegung aus (vom ständigen Schieben von Opas Rollstuhl an der frischen Luft hatte ich kräftige Oberarme und eine gesunde Gesichtsfarbe bekommen, die auch Jahre nach seinem Tod noch vorhanden waren). Soll heißen, plötzlich erschien ich den Mädchen meines Alters als schlanker, groß gewachsener, sympathischer, fröhlicher und aufgeschlossener Vertreter des begehrten Geschlechts. Außerdem war die Macht der Sprache mit mir, denn nachdem ich entdeckt hatte, dass ein kluger Spruch zur rechten Zeit Türen öffnet, las ich Nacht für Nacht vor dem Einschlafen in einem Zitate-Buch und in einem Philosophielexikon und schrieb die Worte und Sätze heraus, die mir gefielen. An meinem gelegentlich auftretenden Humpeln störte sich niemand mehr, im Gegenteil, einmal meinte sogar ein Mädchen, dass dies mir einen gewissen Hauch von Verwegenheit, einen Touch ins Dämonische verleihe. Sie hatte wohl gerade Moby Dick gelesen und war fasziniert von Ahab.
    Außerdem war ich einer der ersten Jungs in meinem Alter mit Führerschein und eigenem Auto. Mein Vater war der Auffassung gewesen, je eher der Junge flügge wird, umso besser. Verging meine Mutter – wenn ich unterwegs war – auch fast vor Sorge, so war das Auto ein Punkt, an dem sich mein Vater in Erziehungsdingen auf die Hinterbeine stellte. Wenigstens eine Zeit lang. Was für ein Gewinn an Freiheit und Prestige. Allein schon dadurch, dass ich jeden Morgen mit dem Auto zum Gymnasium in die Stadt fahren konnte und nicht mehr – wie all die anderen – auf den Zug angewiesen war. Vor allem aber erfuhr ich in meinem auf Feldwegen oder abgelegenen Parkplätzen im Dunklen stehenden Auto, dass ein Auto nicht nur dafür gut ist, sich von einem Ort zum anderen zu begeben, und wie viel Bewegung doch im Stehen (oder vielmehr im Sitzen, Liegen, Kauern, Knien) möglich ist.
    Wirklich ernsthaft war leider keine dieser Begegnungen mit dem anderen Geschlecht, was beileibe nicht an der Intensität meiner Gefühle lag. Zwar gefiel es mir, dass die Mädchen sich an meiner Autotür die Klinke in die Hand gaben, aber dennoch hätte ich ewige, echte Liebe jeder dieser schnellatmigen, erotischen Eskapaden vorgezogen.
    Mit Julia zum Beispiel wäre ich wirklich gerne länger zusammen gewesen. Sie ging in eine der Parallelklassen. Wir kamen uns näher, nachdem ich sie einmal nach der Schule nach Hause brachte. Da ich beiläufig erwähnte, dass ich Hesse sehr schätze, las sie mir von da an einige Male aus seinem Werk vor. Zumeist in meinem Zimmer, weil sie die Atmosphäre im Auto als dem lyrischen Erlebnis abträglich empfand (Julia liebte seine Gedichte, während ich Hesses Prosa – vor allem natürlich den Steppenwolf – vorzog). Julia war das erste Mädchen, das ich meiner Mutter vorstellte und mit auf mein Zimmer nahm. Und im Laufe der Zeit wuchsen mir unsere Lektürestunden und Julia mehr und mehr ans Herz. Vor allem auch deswegen, weil sie ein äußerst geschicktes Gespür für einen, den nie allzu langen Pausen zwischen zwei Besuchen meiner Mutter angemessenen Kleidungsstil entwickelte. Soll heißen, wenn sie zu mir kam, trug sie lange Röcke aus derbem, knitterfreiem Stoff mit unverfänglichen Blümchenmustern, Marke Müttertraum , die aufgrund ihrer absichtsvollen Unweiblichkeit auf mich

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