Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)
in der willigen Männerwelt nicht an die Nieren.
Aber schließlich kam es zu einer denkwürdigen Nacht. Ich hatte Diana schon ein paar Tage nicht gesprochen, jedenfalls nicht in der uns so eigenen Art und Weise. Eine Hallo zum Frühstück, ein bisschen Dies und Das, ein gute Nacht im Flur nachts um halb drei. Mehr nicht. Und dieses Mehr fehlte mir. Zwar hatte Diana ein paar Nächte zuvor auswärts geschlafen, aber da sie davon nichts verlauten ließ und sich ihr Kopf nicht wie gewohnt in meiner Zimmertür zeigte, vermutete ich zuerst – mit einer gewissen Niedergeschlagenheit –, dass sich wieder eine Liebesbeziehung anbahnte. Da aber die dafür üblichen Anzeichen ausblieben, und sich auch kein neues weibliches Gesicht in der WG zeigte – Diana erschien mir auch eher verwirrt, gedankenverloren mit einem Touch ins Niedergeschlagene, als glücklich verliebt – bemühte ich mich, die auswärtige Nacht zu vergessen und Dianas Stimmung und die damit verbundene Distanz zu mir auf so etwas wie das Wetter, hormonelle Zustände oder auf Stress in der Uni zu schieben. Jedenfalls gelang es mir, mit der für mich nicht angenehmen Situation klarzukommen, vor allem weil mir letztlich noch der plausibelste Grund für ihre Gemütsverfassung einfiel, die unsere Beziehung, na, zumindest meine Stimmung trübte: Ein letztes Aufbäumen ihrer Schutzmechanismen gegen die große Veränderung, die es bedeuten würde, mich zu lieben. Distanz aus dem Wunsch heraus, die Nähe nicht wahrhaben zu wollen. Und so war ich denn auch nicht wirklich überrascht, dass sie in besagter Nacht, kurz bevor ich die letzten Gäste aus der Kneipe herausbitten wollte, zu mir an meinen Arbeitsplatz kam.
Langsam, fast schweren Schrittes betrat Diana den Schankraum, beinahe so, als hätte sie eine Last zu tragen. Auch ihre Kleidung war mehr auf Arbeit als auf Vergnügen zugeschnitten. Sie trug schwere, derbe Stiefel, Springerstiefeln nicht unähnlich, eine graue Latzhose, in deren tiefen Taschen sie ihre Hände versenkt hatte, unter den Hosenträgern ein einfaches, weites, weißes T-Shirt und darüber eine alte, abgewetzte Lederjacke. Und sie, die ihre Haare – so wie ich sie kannte – immer lang und lockig getragen hatte, hatte sie sich streichholzkurz abschneiden und hellblond färben lassen. Ich muss zugeben, dass ich ein wenig geschockt war, sie so zu sehen, obwohl ich auch zugeben muss, dass dadurch ihre großen, braunen Augen besser zur Geltung kamen. Jedenfalls kam Diana nicht zufällig vorbei, sie kam zur mir. Und ich, ich dachte mir, so sieht das also aus, wenn eine radikale Änderung im Leben einer Frau stattfindet. Nun gut, Äußerlichkeiten sind eben solche, und was ich an Diana lieben gelernt hatte, war ja eh ihr Charakter gewesen. So gab ich ihr lächelnd das verlangte Bier, und als sie mir dann sagte, sie wolle, dass ich sie zum Wackeltreff in die Börse begleite, hüpfte mein Herz.
Nachdem sie ihr Bier ausgetrunken hatte, verließen wir die Kneipe und gingen durch das nächtliche Wuppertal. Diana war den ganzen Weg über sehr schweigsam. Hätte ich sie auch gerne in den Arm genommen, so hielt ich mich doch zurück. Ich hatte Zeit, Geduld war schon immer eine meiner Stärken. Als wir die Disco erreichten, zog Diana mich sofort auf die Tanzfläche. Aha , dachte ich, so langsam verliert sie ihre Scheu. Meine Geduld zahlt sich aus . Und als wir beide ordentlich abtanzten, nur gelegentlich unterbrochen durch verschärfte Alkoholzufuhr, da hatte ich doch stark das Gefühl, das wir auf die Zielgrade einbogen und Diana sich in die ihr so neue Welt hineintanzte.
Es waren berauschende Stunden für mich. Die vielen feiernden Menschen, Diana die ganze Zeit so nah bei mir, aufgeheizt durch die laute Musik und durch den Tanz, schwitzend, betrunken. Ich sah mich meinem Ziel näher und näher. Und beinahe schon war ich so weit, Diana meine Liebe zu gestehen, sie mitten in ihren Bewegungen in die Arme zu nehmen, ihren letzten Widerstand mit einem Kuss zu überwinden und ihr so über die Schwelle zu helfen, vor der sie immer noch furchtsam verharrte. Ja, ein Lied, ein Bier, eine Zigarette hatte ich ihr noch Zeit geben wollen, das Unvermeidliche zu tun, da trat plötzlich er an sie heran. Er, ihre Geburtstagsgeschichte (wie sie mich dann später aufklärte), und er küsste sie und küsste sie und streichelte ihr dabei über die kurzen Haare, und Diana begann plötzlich zu weinen, zu lachen, vor offensichtlicher Freude zu weinen, ihre Arme um ihn zu
Weitere Kostenlose Bücher