Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)
ausgehalten, er vor der Tür, die Tür zwischen ihnen beiden, und so hätte sie ihn hereingelassen, ins Bad, in ihr Leben und gierig in sich. Wie wild, fast so, als hätte sie sich in den Sex flüchten wollen, ja, richtig gewalttätig sei sie geworden, geradeso als hätte sie ihn für dieses Unbekannte, was ihr da Angst machte, büßen lassen wollen.
Schließlich aber wäre ihr das alles doch über den Kopf gewachsen, sie hätte einfach weg gemusst, ohne lange Erklärungen, die sie ja eh nicht hätte geben können. Hals über Kopf wäre sie aus dem Klo geflohen, mit blankem Busen, der Rock mehr ihren nackten Arsch umwehend als bedeckend, so eilig hätte sie es gehabt wegzukommen und es ihm unmöglich zu machen, ihr zu folgen. Wie ein verirrtes Kind sei sie dann durch die Nacht gestolpert, unfähig einen klaren Gedanken zu fassen, geschweige denn mit dem klarzukommen, was sich da gerade in ihr ereignete. Immer an der Wupper entlang sei sie gelaufen, im schönsten Wuppertaler Regen weiter und weiter, unwillkürlich an jeder Brücke die Flüsschenseite wechselnd. Geradezu symbolisch wäre das gewesen, meinte Diana zu mir, dieses Uferwechseln. Aber natürlich sei ihr das in dieser konfusen Nacht nicht bewusst gewesen. Da hätten ihre Füße wohl mehr gewusst, als ihr Kopf und ihr Herz hätten wissen wollen.
Aber auch wenn diese beiden von Veränderung nichts wissen wollten, so war jene nicht mehr aufzuhalten gewesen. Denn vor ein paar Tagen, sie saß in der Schwebebahn, starrte aus dem Fenster auf die vorbeiziehenden Hinterhöfe, an nichts Besonderes denkend, sich nur wieder einmal fragend, ob diese Reiher, die dann und wann im flachen Wasser der Wupper stehen, jetzt nun echt sind oder nicht (»jetzt wohne ich schon so lange im Tal« sagte sie, »und noch nie habe ich eines von diesen Viechern sich bewegen sehen«), da hätte er sich Loher Brücke plötzlich neben sie gesetzt, und nun hätte es kein Entkommen mehr gegeben. Sie seien am Alten Markt ausgestiegen und wären einen Kaffee trinken gegangen. Ganz unverfänglich. Bei McDonalds. Ja, und dort – was für eine wahrhaftig romantische Atmosphäre – hätte er ihr seine Liebe gestanden. Schon oft sei er nahe daran gewesen wäre, bei ihr anzuklingeln, einige Male hätte er schon vor ihrer Haustür gestanden. Aber schließlich habe sie ihm deutlich gesagt, was sie bei Männern suchte. Das Liebe kein Thema sei. Und deswegen hätte er sich nie getraut, diesen Schritt zu tun...
So weit so gut. Diana machte wirklich viele Worte um diesen einfachen Sachverhalt, dass sie sich ausnahmsweise in einen Mann verliebt und sich folglich doch nicht so gut gekannt hatte, wie sie sich zu kennen glaubte. Einigermaßen interessant fand ich dann wieder den Punkt, an dem sich ihre diffuse Angst vor dem Unbekannten in die Furcht vor diesem konkreten Unbekannten geändert hatte. Also, der Moment, da sie es mit der Furcht zu tun bekam, ob er vielleicht nur mit ihr spielen würde, geradeso wie sie oft mit den Männern gespielt hatte, und er sie – wenn sie nun den Schritt auf den Abgrund zu wagte – vielleicht gar nicht auffangen würde. Liebt er mich denn wirklich? war die bange Frage, die sich ihr nun stellte, und die für sie verständlicherweise noch eine ganz andere Dynamik und Reichweite besaß als die Frage: Liebt sie mich? Und so war es denn auch zu ihrer Kurzhaarfrisur und ihrem doch eher burschikosem Outfit an diesem Abend gekommen. Ebenso Ausdruck des Neuen in ihrem Leben, wie ich vermutet hatte, als auch des Gedankens: Wenn er mich wirklich liebt, so liebt er mich nicht allein äußerlich, was ich dann an seiner Reaktion auf mich spüren werde!
Und diese natürlich bang erwartete Reaktion seiner auf diesen Gedanken war es dann auch gewesen, die sie zu mir in die Kneipe hatte kommen und mich einladen lassen. Wenn es sich bei ihrer Verabredung herausgestellt hätte, dass er sie fallen lassen würde, dann hätte sie mich gerne bei sich gehabt. Noch eine Neuerung in ihrem Leben, sagte sie und drückte mich an sich, hätte schließlich ebenfalls nie geglaubt, dass ich mal mit einem Mann befreundet sein würde. Na, wenigstens etwas, sagte ich mir, und trank darauf noch einen Schluck. Anschließend verließen wir die Party.
Am Tag danach verschwand Diana. Zunächst gingen wir in der WG davon aus, dass sie die Zeit bei ihrer neuen Liebe verbrachte. Dann aber tauchte dieser Kerl bei uns auf und berichtete, von Diana seit der erwähnten Nacht weder etwas gehört noch gesehen zu
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