Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)
immer – wenn erdiese Hürde einmal überwunden hatte – bei der jeweiligen Dame zu Hause oder irgendwo in einer dunklen, abgeschiedenen Ecke endete.
Aber vor allem wollte ich erzählen, dass eraus Gründen der Praktizierbarkeit seiner Methodeschließlich davon absah, weiterhin nur in Wuppertal auf die Jagd zu gehen. Vielmehr vergrößerte er sein Revier, indem er begann, die Möglichkeiten des Internets zu nutzen. Denn natürlich war ihm schnell klar geworden, dass sein Vorgehen nicht unbemerkt bleiben würde, so dass er nicht genügend Exemplare für seine Sammlung zusammenzubekommen würde, wenn er Wuppertal nicht verließ. Wuppertal war zwar eine Stadt, aber kein Moloch, keine Millionenstadt, wo Menschen sang- und klanglos verschwinden können. Es war immer noch zu sehr Dorf, und er lief Gefahr, aufzufallen. Vor allem, da sein methodisches Vorgehen nicht den Anschein von Unfällen erweckte.
Nein, seine Taten hatten Stil. Ich war stolz darauf, mit meinem Mörder eine stilvolle Persönlichkeit geschaffen zu haben, die bei aller Einzigartigkeit dennoch zu ihren Opfern auf so großer Distanz blieb, dass die von Magdalena angesprochene Konturlosigkeit des Täters gewahrt blieb, die es ermöglichte, dass er nur schwer aus dem Verkehr zu ziehen war. Der Sammler kam über seine Opfer also gewissermaßen mit der Gewalt eines Wirbelsturmes, der ein Bewusstsein besitzt und entscheidet, was er in Schutt und Asche legt. Denn trotz aller Einzigartigkeit spielte bei seiner Methode – vor allem, nachdem er das Internet für sich entdeckt hatte – der Zufall eine so große Rolle bei der Auswahl seiner Exemplare, dass sich einfach keine Anhaltspunkte für eine kriminalistisch auswertbare Interpretation seines Vorgehens – geschweige denn seiner nächsten Schritte – ergaben.
Er wurde unter falschem Namen Mitglied verschiedener E-Mail-Service-Anbieter und Flirtplatformen, und so bot sich ihm nun die Gelegenheit, anonym Kontakt zu einer großen Zahl an potenziellen Exemplaren aufzunehmen und Treffen mit diversen Damen in die Wege zu leiten.
Da niemals jemand, den er in ihmfremden Städten, in fremden Lokalen traf, etwas über seine wahre Identität, geschweige denn sein Anliegen erfuhr (er gab sich immer als noch ortsfremder Zugezogener aus, deswegen auch die Handy-Nummer über die er nur zu erreichen war, da die Telekom in Dingen Neuanschluss ja bekanntlich gerne einige Zeit verstreichen lässt...), konnte er unbehelligt Forschungsreise um Forschungsreise antreten. Er war schließlich keiner dieser Serienmörder, die ihre Taten inszenieren als seien diese Kunstwerke, die ihren Stil an die große Glocke hängen. Nein, erwar Wissenschaftler, ein Philosoph und kein Künstler, die – so sehr sie auch den Werkcharakter ihres Schaffens betonen – aufgrund ihrer Eitelkeit doch nie als Schöpfer des Werkes vergessen werden möchten. Aber er – der Wissenschaftler – trat als Mensch selbstverständlich nahezu unidentifizierbar hinter seine Methode zurück (wozu beitrug, dass er sich die Haut an den Fingerkuppen weggeätzt hatte).
Leider kam ich nicht dazu, Magdalena von meinem Mörder zu erzählen. Das Einzige, was sie vom Sammler und meiner Arbeit mitbekommen sollte, waren die Manuskriptblätter, die unter ihrem entblößten Hintern knisterten, und die Druckerschwärze, die – unter Magdalenas Andrang feucht geworden – ihre Nacktheit schwarz einfärbten. Denn als Magdalena sich auf den Bauch drehte, meinen zuvor etwas zu kopflastigen Penis mit ihren Händen dergestalt umfassend, dass ihn die zärtliche Wärme ihrer Berührung nun doch gedankenlos machte, ja, da ich für einige Augenblicke nicht an meinen Roman dachte, vielmehr einfach genoss, was sie mit ihren Fingern an mir tat, da wurden ihre Worte zu Nadelstichen, die meine Hoffnungen zerplatzen ließen.
Doch zunächst schmeichelte Magdalena mir. Ich wär’ ein interessanter Typ. Mit mir könne man gut reden, ich könne wirklich zuhören. Außerdem sei ich sexy. Ein bisschen verkrampft zwar, wie sie gerade gespürt hätte, aber dies würde sich bei der richtigen Pflege sicherlich ändern. Wie sie jetzt spüren würde. Und da ich es – genauso wie sie – nicht so mit der Normalität hätte – wie sie sich sicher wäre –, da würde das doch bestimmt spannend werden mit uns beiden. Sie hätte mich ja auch wirklich sehr gern. Richtig verliebt hätte sie sich in mich. Doch dann sagte sie, in einem Tonfall, als wäre dies das Selbstverständlichste auf der Welt, ja,
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