Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)

Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)

Titel: Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Boscher
Vom Netzwerk:
schlingen, als wolle sie ihn nie wieder loslassen, als hätte es nie etwas anderes für sie gegeben, als ihn an sich zu drücken und zu küssen.
    Ich war, gelinde gesagt, überrascht. Im ersten Moment wenigstens. So, als wäre ich einen Weg entlang gegangen, von welchem ich geglaubt hatte, ihn gut genug zu kennen, so dass ich nicht weiter darauf achten musste, wohin ich meine Füße setze, und plötzlich trete ich mit einem Fuß ins Leere. Überraschung ist das erste Gefühl. Dann folgt eine Schrecksekunde, der Atem stockt, ohne dass ich genau erfassen würde, was da den Schrecken auslöst. Dann hat das Bild des unter meinen Füßen aufklaffenden Abgrundes den Weg von meinen Augen zum Gehirn zurückgelegt, und der Schrecken wird manifest. Ich drohe das Gleichgewicht zu verlieren, reiße die Augen weit auf, rudere mit den Armen, schwanke bedrohlich zwischen Erde und Hölle. Ganz ähnlich fühlte sich das an, als ich die beiden plötzlich in innigster Umarmung sah. Aber schließlich ist man nicht mehr in der Pubertät, wo einen der geringste Gegenwind aus dem Gleichgewicht bringt, und man mit dem eigenen Sturz die ganze Welt einstürzen sieht. Wo die Welt sozusagen alles ist, was im Fall ist. Über diese Phase war ich glücklich hinaus, war mittlerweile aus anderem Holz geschnitzt. Ich schwankte also, aber ich fiel nicht. Sisyphos reißt sich zusammen, blickt dem Stein nach, zündet sich eine Zigarette an und schlendert dann wieder den Berg hinunter. So ging ich mir also noch ein Bier holen, stellte mich an die Tanzfläche und vertiefte mich in die Aussicht schwingender Hüften. Wenn es Dinge in Blickweite gibt, die den Augen wehtun, dann sollte einem daran gelegen sein, das Blickfeld zu begrenzen. Aber da hat wohl jeder seine eigene Methode mit Enttäuschung klarzukommen und nicht den Boden unter den Füßen zu verlieren. Ich hatte die mir angemessene Methode jedenfalls gefunden, und als dann wenig später eine vor Glück in der Dunkelheit leuchtende Diana zu mir trat und mit mir anstieß, da war ich schon wieder die Gelassenheit in Person.
    Trotzdem war es gut, dass er schon wieder unterwegs war. Denn leider hätte er wieder arbeiten müssen. »Er fährt Taxi.«, erklärte Diana, und hätte nur kurz zwischen zwei Touren Zeit gehabt, zu kommen, wie sie mit diesem gewissen, anzüglichen Lächeln in den Augenwinkeln sagte, dass ich so gut kannte. Sagte, obwohl sie ja in Liebesdingen sonst immer so schweigsam gewesen war. Aber wahrscheinlich war die Tatsache, einen Mann zu lieben für sie noch zu neu, um nicht ihre sonstigen Weisen über Liebe und die davon unterschiedenen Geschichten zu erzählen durcheinander zu bringen.
    Und obwohl die Situation für mich nun eine gänzlich andere, ja vergleichsweise unangenehmere war als in all den Gesprächen mit ihr die Jahre zuvor, ließ ich mit stoischer Miene, eine Selbstgedrehte im Mundwinkel, Dianas ebenso euphorischen wie handfesten Wortschwall über mich ergehen, der aus seinem kurzen Kommen als der Quelle ihrer Empfindungen herausströmte. Nun, wenn ich schon nicht der Grund für ihre Gefühle war, so war ich jetzt wenigstens das Gefäß für ihre Seelenergüsse.
    Zunächst einmal erfuhr ich, dass er jener war, der sie so überraschend an ihrem Geburtstag beglückt hatte. All die Zeit hätte sie ihn nie so recht vergessen können, sie hätte oft an diese Tage mit ihm zurückgedacht. Natürlich ohne ihre wahren Beweggründe zu ahnen oder ahnen zu wollen. Wäre halt einfach der Wahnsinnssex gewesen, der ihre Gedanken immer wieder zu ihm zurückkehren ließ. Nicht mehr und nicht weniger. Basta. Fände man ja schließlich auch nicht alle Tage. Deswegen hätte sie ja auch auf die Badgeschichte jene zwei Tage folgen lassen. Ja, und dann hätte sie ihn vor ein paar Wochen auf einer Party wiedergesehen, und da hätte sie es wie ein Blitz aus heiterem Himmel getroffen, wie Diana es nicht sonderlich originell ausdrückte. Wie ein Teenager sei sie erst mal weggerannt, hätte sich auf dem Klo verkrochen. „Ja, ja, wieder das Klo!“, sagte sie lächelnd an meiner Zigarette ziehend. Hat aber nichts geholfen, denn er klopfte und klopfte. Und hin- und hergerissen zwischen der Freude, dass er ihr gefolgt sei, und der Furcht vor diesem Unbekannten, diesem unbekannten Gefühl, das sie da für ihn so plötzlich hatte, da sie es für ihn, also für einen Ihn fühlte, hätte sie erst gar nicht aufmachen wollen und sich ganz still verhalten. Aber schließlich hätte sie es nicht mehr

Weitere Kostenlose Bücher