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Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)

Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)

Titel: Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Boscher
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ein.
    Schließlich war die Fahrt zu Ende, wir erreichten St. Goarshausen und die Loreley. Polizisten säumten unseren Weg. Dann kamen die Menschen, die auch aufs Festival wollten, Massen, die ihre Autos am Waldesrand abstellten und Zelte, Schlafsäcke, Kühlboxen schleppend an uns vorüberzogen. Lauter ausgeflippt scheinende Leute in bunten Klamotten, und alle lächelten sie dem, was da kommen mochte, entgegen.
    Wir fanden einen Parkplatz, und nachdem wir uns mitsamt unserem Gepäck zwischen Tausenden von Zelten, Autos und VW Bussen hindurchgearbeitet hatten, vorbei an den Menschenmassen rund um ihre Lagerfeuer und Bierkästen, fanden wir auf einer der Wiesen einen schönen Platz für unsere beiden Zelte. Ich setzte den Kasten Bier, die Tasche mit einem Zelt darin ab und versuchte Carmen zu küssen, mir war danach. Ihr aber nicht, sie sagte, ich solle sie doch erst einmal verschnaufen lassen, und sie klang genervt. Ich fing einen Blick von Lili auf, in dem so etwas wie Mitleid lag. Damit wusste ich nichts anzufangen. Aber hatte Carmen nicht recht? Wir hatten schließlich einen Haufen Zeugs einen langen Weg geschleppt, ich selbst war schweißgebadet. »Nun gut«, meinte ich also lächelnd zu ihr, »erst die Arbeit und dann das Vergnügen«, und ich machte mich daran, die Zelte aufzubauen. Eines für Carmen und mich, das andere, kleinere, für Lili. Genauso hatten wir es geplant für unsere Sommerwochenendnächte auf der Loreley.
     
    3.
     
    Doch es kam anders. Ich blicke aus dem Fenster, eine Zigarette hängt erkaltet in meinem Mundwinkel, es regnet, unaufhörlich regnet es. Nietzsche schrieb, ob des Augenblicks, da er den Gedanken der ewigen Wiederkunft des Gleichen empfangen habe, ertrage er diesen Gedanken. Kann ich da hinten anstehen und verzweifeln? Nein, die Augenblicke der Vollendung sind des Glücks genug, um auch ohne Paradies weiterleben zu können. Früher habe ich mich auch nicht unterkriegen lassen.Habe alles weggesteckt. Hinter mir gelassen. In den Griff bekommen. Schließlich ist es großer Stil, den Fluss der Dinge, und nicht das Lächeln, sein zu lassen. In diesem Sinne wende ich mich vom Regen draußen ab, entzünde die Zigarette wieder und schreibe weiter. Regenbögen schillern über den Seiten, die ich in den letzten Tagen geschrieben habe. Ich versuche, ein Band zu knüpfen zwischen der Welt des Glücklichen und der des Unglücklichen. Spanne Sätze zwischen zwei Pole, zwischen ein lachendes und ein weinendes Auge, auf dass die Wörter zu Tänzern werden auf diesem luftigen Hochseil, hinweg tanzend über alles Schwere, alles lebensmüde und verzweifelt Machende...
    An besagtem Tage auf der Loreley zog ich mein Hemd aus und rammte die ersten Heringe in den Boden. Ich spürte, dass Carmen mich beobachtete, und es war das erste Mal, dass ich mich unter ihren Blicken nicht wohl in meiner Haut fühlte. Ich beachtete das nicht weiter, sondern bearbeitete die Heringe mit dem Hammer. Einer verbog sich, irgendwie gerieten die Dinge aus ihrem richtigen Verhältnis zueinander. Plötzlich war ich beunruhigt, ich spürte, wie sich die ersten Sonnenstrahlen durch den Schweiß in meine Haut brannten. Mir fiel ein, dass ich die Sonnenmilch und meinen Hut vergessen hatte, aber in diesem Moment zauberte Lili eine Sektflasche aus ihrer Tasche: »Jetzt lasst uns doch erst mal auf unsere Ankunft anstoßen«, rief sie und mit dem Hammer ließ ich auch meine Unruhe in das Gras fallen. Lili jagte den Sektkorken quer über die Wiese und nahm den ersten Schluck, einige Sonnenstrahlen brachen sich in den Sekttröpfchen auf ihren Lippen, sie lächelte breit, meinte: »Wir haben die Sonnenmilch vergessen!« Lili reichte mir die Flasche, und ich trank. Lili war schwer in Ordnung, stellte ich in diesem Moment fest. Bislang hatte ich sie nicht sonderlich beachtet. Sie brachte mich noch ein letztes Mal an diesem Tag zum Lächeln, denn nun drehte ich mich zu Carmen um. Ich hatte immer noch dieses Lächeln und hielt ihr es mit der Flasche hin. Die Sonne spielte mit dem grünen Glas in meiner Hand und warf übermütig mit Lichtreflexen um sich. So etwas entging mir noch nie, und so behielt ich mein Lächeln noch. Doch irgendwann wird jeder lernen, dass der Grad zwischen Himmel und Hölle ein schmaler ist. Carmen knüpfte das Oberteil ihres Kleides auf und rollte den dünnen Stoff um ihre Hüften zusammen, ihr Bauchnabel lag frei wie eine offene Blüte in der Sonne. Ablecken wollte ich jeden einzelnen der winzigen, glänzenden

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