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Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)

Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)

Titel: Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Boscher
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tiefe Stimme aus dem Dunkel des Zeltes barsch forderte: »Lass’ den Arsch und komm’ wieder her!«
    Betrunken, wie ich war, wankte ich davon und schlief die zweite Nacht hintereinander unter freiem Himmel.
    Ich erwachte am nächsten Morgen, als die Sonne über den Horizont stieg. Dampfend löste sich die Nacht aus dem taunassen Gras der Wiesen. Meine Kleidung klebte mir feucht am Körper, aber das machte nichts. Neuer Tag, neues Glück!, sagte ich mir. Ich hörte Opas Stimme in meinem Kopf: Gelobt sei, was hart macht! Er wäre stolz auf mich gewesen, wenn er hätte sehen können, wie ich festen Schrittes zurückging zu den Zelten, um meine Siebensachen zu packen und mich für die Heimfahrt zu rüsten.
    Lili war alleine und schon dabei, die Zelte abzubauen, als ich zu ihr stieß. Sie war guter Dinge. Ihre Augen glänzten beseelt im Morgenlicht. Dieser Typ mit der tiefen Stimme schien ihr Gutes getan zu haben, bevor sich ihre Wege wieder trennten. Wo Carmen sei, fragte ich, und Lili meinte, sie wüsste auch nicht, wo sie den letzten Tag und die letzte Nacht verbracht hätte, geschweige denn, wo sie jetzt sein könnte. »Carmen wird wieder irgendwie abgestürzt sein!«, meinte sie, und legte mir eine Hand tröstend auf den Arm. Sie wusste also Bescheid, dass mit Carmen Schluss war. »Mir auch egal, wo sie sich rumtreibt!«, sagte ich zu Lili, »Für mich ist sie gestorben. Wenn sie nicht bald kommt, dann fahren wir ohne sie zurück! Ich muss’ heute Abend arbeiten!« Den harschen Worten zum Trotz hatte ich plötzlich einen Kloß im Hals. Was war ich glücklich gewesen mit ihr! Warum hatte es so enden müssen? Die üblichen Nachwehen dachte ich und zündete mir schnell eine Zigarette an. Sagte mir, was sich bereits Generationen von Verlassenen in eben einer solchen Situation schon gesagt hatten: Auch andere Mütter haben schöne Töchter. Ich konzentrierte mich auf Lilis Oberweite und die lästigen Gedanken fielen von mir ab. Dass mir dies noch nicht vorher aufgefallen war. Liebe scheint wirklich blind zu machen. Aber nun weilte ich wieder unter den Sehenden. Lili war nicht nur nett, sondern sie hatte auch sonst einiges zu bieten. Ich vertiefte mich so sehr in den Anblick von Lilis Bemühungen, das Zelt zurück in die dafür vorgesehene Tasche zu stopfen, wobei ihre Brüste kaum von dem schlichten, dünnen T-Shirt gehalten werden konnten, dass ich ganz vergaß, ihr dabei zu helfen. Ob ich nicht langsam mal mit anpacken wolle, beschwerte sie sich. Was ich dann auch tat, ohne den Blick fürs Wesentliche zu verlieren, indem ich ihr die Tasche aufhielt. Zu diesem Zweck setzte ich mich zu ihren Füßen nieder und nahm die Tasche zwischen meine Beine. Eine Haltung, die mein Gesicht unauffällig nah an das Objekt meiner Aufmerksamkeit brachte, denn Lili stand nun gebeugt über mir und meinem ihr zugewandten Kopf. Helfen kann so angenehm sein.
    Gegen Mittag hatten wir die Zelte abgebaut, den Müll weggeräumt und all unser Hab und Gut – auch Carmens Sachen, da wir diese doch nicht einfach liegen lassen konnten – zum Auto gebracht. Lili versuchte mehrmals Carmen über ihr Handy zu erreichen, aber erfolglos. »Versuch du es doch mal!«, forderte sie mich auf, »Vielleicht hast du ja mehr Glück! Aber in dieser Hinsicht war ich altmodisch, ich besaß kein Handy.
    Bis in den Nachmittag hinein blieben wir dann noch im platt gedrückten Gras, dort wo die beiden Zelte gestanden hatten, sitzen und warteten auf Carmen. Lili beharrte darauf. Wenn es nach mir gegangen wäre, dann hätten wir uns schon lange auf dem Heimweg befunden. Aber ich machte das Beste aus der Situation und meditierte über Lilis Silhouette im Gegenlicht. Doch schließlich verschwand die Sonne hinter dunklen Wolken. Der von meinen Füßen angekündigte Wetterumschwung. Es begann zu regnen. Als beinahe die Letzten auf dem Gelände ließen wir die Loreley hinter uns und fuhren zu zweit Heim, Richtung Wuppertal.
    Lili legte meine Doors-Cassette ein, und wir hörten Break on through (the other side) . Zunächst sang sie lauthals mit, schließlich aber schlief sie ein.
    Da lag sie friedlich schlummernd, ganz mir und meinen Fahrkünsten vertrauend, die Beine an den Körper gezogen, wie ein Ungeborenes geborgen in Mutters Schoß. Wie ein Kind lag sie da, den Kopf sanft gebettet auf gefalteten Händen, lächelnd traumumfangen, ungebrochen unbefangen. Light my fire , sang Jim Morrison, die Live-Version, und ich spürte, wie sich ein dünner Schweißfilm zwischen

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