Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)
weil mir diese Angelegenheit mit Diana doch sehr nahe ging und ich mich ablenken musste, nutzte ich es aus, sturmfreie Bude zu haben, und stürzte mich in Arbeit. Ich nahm mir den Keller vor und entrümpelte diesen gründlich. Ist schon erstaunlich, was im Laufe der Zeit alles zusammenkommt, allein schon an Überbleibseln von früheren Bewohnern der WG. Mit einmal den Wagen vollpacken und zur Müllverbrennung fahren, war es nicht getan.
Eigentlich war schon länger geplant gewesen, diese Aktion mal WG-gemeinschaftlich anzupacken. Bislang war es aber nicht dazu gekommen. Wenn wir vier zusammensaßen, war Doppelkopf immer wesentlich attraktiver gewesen als Aufräumen. Nun, so dachte ich an besagtem Tag, die anderen werden sich schon nicht darüber aufregen, dass ihnen die ganze Arbeit entgangen ist (haben sie sich dann natürlich auch nicht). Es war aber auch wirklich ein guter Tag zum Klarschiffmachen. Da musste das einfach sein. Und ich muss sagen, diese Aktion hatte – auch was meinen Gemütszustand anging – etwas Befreiendes, Reinigendes an sich. Zwar meldete sich aufgrund der körperlichen Anstrengung beim Zerkleinern des ganzen Mülls und beim Schleppen der Säcke mein altes Rückenleiden wieder, so dass ich mich am Tag danach gezwungen sah, zum Orthopäden zu gehen (der mir neben einem stärkeren Schmerzmittel den Rat mit auf den Weg gab, Gymnastik zu treiben). Aber gleichwohl flossen, während ich aufräumte, die Gedanken nur so durch mich durch, wie der Schweiß aus meinen Poren rann. Das alte Zeug wird aus dem Weg geräumt, Platz geschaffen für Neues.
Und schon bald, nachdem ich den Keller aufgeräumt hatte, trat das Neue in Gestalt von Carmen in mein Leben. KIAY! Ein so lang ersehntes Gefühl. Die Pforten des Paradieses öffneten sich mir. Endlich war mir das Liebesglück hold. Wenigstens für kurze Zeit.
Viertes Kapitel
Die Pforten des Paradieses
1.
Zusammen mit einem Kasten Wasser und einem Kasten Bier packte ich eine gehörige Portion Sonnenschein in den Kofferraum meines Audi. Ich legte Kühlakkus zwischen die Flaschen und umwickelte die Kästen mit nassen Handtüchern, um den Bogen der Harmonie, vibrierend zwischen dem lichtdurchfluteten Himmel und dem kalten Bier, möglichst bis zum Nachmittag gespannt zu halten. Der Ölstand stimmte aufs Haar, Kühlwasser hatte ich nachgefüllt, der Tank war voll bis an den Rand. Die Dinge standen an diesem Morgen in ihrem richtigen Verhältnis zueinander.
Ich setzte mich auf die Treppe vor der Haustür – gemächlich rumpelte in der Ferne die Schwebebahn durchs Tal –, zündete mir lächelnd eine Zigarette an und dachte an Carmen, die jeden Augenblick aus Richtung der aufgegangenen Sonne auftauchen musste.
Zwei Wochen zuvor war sie in mein Leben getreten. Dem Ratschlag meines Orthopäden folgend, hatte ich mich zu der alten Turnhalle in der Nähe meiner Wohnung begeben, um meinem Rücken etwas Gutes zu tun. Allerdings wollte ich mir an jenem Abend die Gymnastik, die vom Barmer Sportverein angeboten wurde, nur kurz anschauen. Ich hatte nicht vor, zu trainieren, und trug Straßenkleidung und einen Hut. Doch anscheinend hatte ich mich im Datum geirrt. Statt Gymnastik wurde Kampfsport gegeben. Ich trat durch die Hallentür und lief in Carmens Schrei hinein. KIAY! Wenn ich mich an ihre Schreie erinnere...
Einige Typen umringten sie. Ich sah es kommen, sie würden an ihren Haaren reißen, würden sie anspringen und würgen und ihr sämtliche Knochen brechen, in Fetzen reißen den weißen Stoff und ihre Haut unter dem Leinen dazu, so sah ich es kommen. Aggressivität lag in der Luft. Einer griff sie nun an, ein Kerl, ein Schrank von einem Mann, einer, der mich ungespitzt in den Boden rammen würde, würde ich auf der Straße an ihn geraten. Ungelogen, ein Löwe von einem Mann, und seine riesigen, behaarten Hände, wahre Tatzen, Klauen, schossen auf ihren Hals zu, der hell und ungeschützt unter ihrem schwarzen Haar schimmerte. Von zarter und weicher Offenheit war dieser Hals, ein Gazellenhals, eine Löwenbeute.
Beim Anblick dieses anstürmenden Kerls, dessen Hände sich jeden Moment um ihren Hals legen und zudrücken würden, stockte mir der Atem. Ich konnte mir nichts anderes vorstellen, als dass dieses verletzliche Wesen in wenigen Augenblicken zerschlagen auf der Matte liegen würde. Zerbrochen zwischen den Klauen, eine vernichtete Schönheit unter ausgerissenen Haaren.
Doch ich hatte eine hauchdünne, bebende Ader an ihrem Hals übersehen.
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