Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)
Stück Holz vom Tisch herausholte und sagte: »Ich wollte ja immer schon wissen, aus welchem Holz Udo geschnitzt ist!«, schwankte mein Hausmitbewohner endlich laut lachend die Treppe hoch, so dass ich diese meine Arbeit in Ruhe zu Ende bringen konnte. Abschließend kroch ich dann noch mit Lappen und Putzzeug auf den Böden in Küche und Flur herum, bis ich den ganzen Schlamassel restlos beseitigt hatte und endlich mit gutem Gewissen schlafen gehen konnte.
Doch nicht lange, nachdem ich meine völlig verdreckten Klamotten ausgezogen und in einer Plastiktüte verstaut hatte, die dann später auch noch in den Müll wandern sollte. Ja, nicht lange, nachdem ich rechtschaffen müde, nicht ohne eine Schmerztablette zu schlucken, ins Bett gefallen war, klingelte es Sturm, und als ich nach einigen verschlafenen Minuten die Türe öffnete, stand eine völlig aufgelöste Lili vor mir und mit ihr zusammen tauchte Carmen auf.
Schlagartig war ich hellwach. Das Ende der Großen Kosmischen Harmonie holte mich mit aller Gewalt ein.
» Und wir sagen auch noch, Carmen ist abgestürzt!« Tränen und Worte rauschten wie Sturzbäche aus Lili heraus, derweil ich mich und sie mit Kaffee und Zigaretten versorgte und versuchte, nicht selbst die Fassung zu verlieren. Das Ende vom Lied war dann, dass Lili und ich heulend Arm in Arm in meinem Bett lagen. Geteiltes Leid ist halbes Leid , heißt es ja, und wenn dies wirklich stimmt, dann möchte ich nicht wissen, wie dann das ganze Leid ausgesehen hätte.
» Abgestürzt! So ein schlechter Scherz! dachte ich«, brachte Lili mit tränennasser Stimme heraus, »Die Polizisten haben vielleicht komisch geschaut, als ich zu lachen anfing, bevor ich überhaupt genau kapierte, was da eigentlich abging und dann das große Heulen kam. Meine Adresse hatten sie von ihrer sauberen Mutter, hat natürlich sofort an mich gedacht, konnte mich ja noch nie leiden! Glaubte, ich hätte einen schlechten Einfluss auf ihr liebes Töchterchen, würde sie versauen, meinte doch glatt einmal zu Carmen: Kind, gib auf die Acht, solch eine wie die küsst sogar Frauen!
Ah, wenn die jemals erfahren würde, wer wen gerne einmal geküsst hätte! Ich hätte nicht übel Lust, der das noch aufs Butterbrot zu schmieren! Hat doch sofort an mich gedacht, seh’ sie vor mir, mit spitzem Finger zeigend: Die da, die weiß’ Bescheid! Die hat da bestimmt was mit zu tun! Ach Scheiße, wenn ich doch nur was damit zu tun gehabt hätte, dann wäre das nicht passiert, war schließlich immer da, wenn Carmen wieder mal drauf und dran war, irgendeinen Scheiß zu bauen, habe sie nie hängen lassen, da kann ihre Mutter denken, was sie will, und die Polizisten auch. Ich war es schließlich, der ihr im Irving fett die Stelle mit dem offenen Fenster angestrichen hat!
Kann das denn alles sein?! Ach Scheiße, ich musste ja unbedingt mit diesem Kerl was anfangen, statt mir ihr loszuziehen und aufzupassen, wo sie hintritt! Das kann doch einfach nicht wahr sein! Das darf nicht wahr sein! Sie hatte doch noch so viel vor! Wir wollten doch noch gemeinsam nach Irland rüber, sie war doch noch nie in Irland, und sie hatte doch unbedingt Irland sehen wollen! Und jetzt... Und jetzt soll sie einfach tot sein? Und warum? Und wie? Warum ist sie bloß mit betrunkenem Kopf über die Absperrung und die Felsen bis zum äußersten Rand geklettert? Und wie ist sie dann abgestürzt? Wenn ich nur dran denke, dass wir, während sie tot zwischen den Felsen lag, unsere Scherze gemacht haben!«
Lili löste sich in meinen Armen beinahe vor lauter Schmerz, Trauer, Wut und Fassungslosigkeit auf. Ich selbst war auch ganz aufgelöst. Ich hatte ja gewusst hatte, dass ich früher oder später wieder von Carmen hören würde, dennoch erwischte es mich, als es passierte, kalt. Und so schämte ich mich meiner Tränen nicht. Weinte in Lilis Arm, wie sie in meinem.
Plötzlich aber ging mir auf, dass ich, da Lili bei mir war, als es mich erwischte, vielleicht doch Glück im Unglück hatte. Und was dann folgte, als ich sie aus diesem Gedanken heraus fest an mich drückte und Lili keine Worte mehr hatte, um ihre Gefühle auszudrücken, keine Worte mehr, nur noch Tränen, kennt man, wenn schon nicht aus eigener Erfahrung, dann aber aus Filmen. Dieser Moment, wenn der Schmerz so groß geworden ist, dass es das Herz zu zerreißen scheint, wenn aus dem Meer der Tränen ein tiefer, stummer Blick aus großen Augen auftaucht. Ja, wenn die Schreie der kummervollen Seele verstummen und die Musik
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