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Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)

Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)

Titel: Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Boscher
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einsetzt und die übervollen Herzen sich in einer solch’ leidenschaftlichen Vehemenz verströmen, dass die Kamera schamhaft ihr Auge schließt.
    Ja, plötzlich riss uns eben ein solcher Moment, auch ohne dass Musik erklang, auf das Heftigste mit. Leider führte das dazu, dass ich mich in einer derartigen Vehemenz verströmte, dass dieser Moment eben so schnell wieder vorbei war, wie ich gekommen war. Lili begann dann, da ich nun für anderes nicht mehr zur Verfügung stand, an mir zu rütteln, mich ob meines übergeschäumten Gefühls zu beschimpfen, ja, mich gar zu schlagen , da sie einfach nicht wusste, wohin mit ihren Gefühlen, bis sie völlig ausgelaugt, still vor sich hinweinend, neben mir im Bett lag. Ich starrte derweil an die Decke, als ob ich da eine Antwort auf die Frage fände, warum ich überhaupt auf die Idee gekommen war, dass es ein Glück im Unglück geben könnte. Filme lügen , so einfach ist das. Und dass geteilter Schmerz halber Schmerz sein soll, las ich in der Maserung der Decke auch anders.
    Plötzlich, bevor ich noch irgendwie hatte reagieren können, erhob sich Lili, zupfte sich ihren Rock glatt, meinte noch, als wäre ich mit dem Geschehenen nicht eh schon völlig bedient: »Ein Carmen-Memorial-Fick war das nicht gerade!«, und ging.
     
    5.
     
    So einsam und am Boden zerstört hatte ich mich zuletzt an besagtem Morgen gefühlt, da ich im Gras erwachte und in Carmens Gesicht las, dass es wirklich endgültig vorbei war. Lass alle Hoffnung fahren! hatte ich da gedacht, und mich doch wieder aufgerappelt. Aber jetzt schien wahrlich das Ende vom Lied gekommen zu sein. Denn in diesem Moment klingelte es an der Haustür, und da ich dachte, es sei Lili, die zurückkam, um sich zu entschuldigen und mir wieder auf die Füße zu helfen, öffnete ich.
    Es war der Briefträger, der mir zwei dicke Briefumschläge entgegenstreckte: meine Manuskripte. Ich konnte es nicht fassen. Schon wieder zwei Absagen. Mir zitterten die Knie, ich konnte kaum noch stehen. Kam mir vor, als müsste ich als Vater mit ansehen, wie sein Kind kaltschnäuzig ans Kreuz genagelt wird. Aber noch ist Hoffnung , sagte ich mir, als ich eine Flasche Bier öffnete. Der Henker schwingt zwar den Hammer, schon wird der Querbalken hochgezogen und am im Boden verankerten Holz festgezurrt. Noch aber ist Leben in den geschundenen Gliedern , so sprach ich mir gut zu, und als ich die Flasche Bier leerte, begann ich allmählich den Worten zu glauben und wieder einen festeren Stand zu finden . Noch ist Schmerz in ihnen, der erlöst werden kann: noch ist ein Manuskript unterwegs.
    Leider war der Kühlschrank leer, so dass ich mich auf den Weg zu Edeka machte, um mir mehr Bier zu holen. Auf einem Bein steht es sich schließlich schlecht. Außerdem hatte mir das mit der Käseverkäuferin keine Ruhe gelassen, so dass ich mich eine ganze Weile vor ihrer Theke aufhielt, den unentschlossenen Käufer mimend, dabei aber doch nur auf ihre Stimme horchend, um herauszufinden, ob ich bei dem Anruf bei der sexgeilen Stute richtig gehört hatte. Nun, klüger war ich danach auch nicht, am Telefon klingen Stimmen ja eh ein bisschen anders, sie könnte es gewesen sein oder eben auch nicht.
    Als ich vom Einkaufen zurückkam, traf ich erneut auf den Postboten, der noch einmal zurückgekommen war und einen dicken Umschlag in meinen Briefkasten stopfte. Dieser Brief an mich war falsch adressiert worden. »Aber ich kenn doch meine Pappenheimer!«, sagte er und gab lächelnd dem letzten meiner Manuskripte, welche ich an Verlage geschickt hatte, einen Stoß. Hätte ihn, den Überbringer schlechter Nachrichten, nach alter Sitte erwürgen können. Aus der Traum. Es war ein Albtraum.
    Natürlich erwürgte ich den Briefträger nicht auf offener Straße. Ich weiß schließlich, was sich gehört, also grüßte ich ihn, bot ihm sogar noch eine Tasse Kaffee auf die Schnelle an, die er allerdings ausschlug, was vielleicht angesichts meiner schlechten Stimmung an diesem Tag ganz gut war. Denn letztlich konnte er auch nichts für die Ignoranz der Verleger und Lektoren. Dennoch hätte ich ihn schon allein dafür, dass er so grob mit der schmählich verschmähten Frucht meines Schriftstellerdaseins umging... So in Gedanken blickte ich ihm noch nach, bis er um die Ecke der Häuserreihe verschwand, dann ging ich, mein Manuskript im Arm, ins Haus und weinte bitterlich in mein Bier.
    Vor mir auf dem Schreibtisch da lag es also, das letzte Manuskript, auf das ich noch hatte Hoffnungen

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