Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)
setzen können. Sie hatten nicht versäumt, ihre Ablehnung zu begründen. Schnellschuss las ich wieder und wieder. Konnte mich einfach nicht vom diesem Albtraum losreißen: »...unausgegorener Schnellschuss, raten Ihnen deswegen...« Nie bis dato, nie ein Wort der Kritik, immer nur die immer gleichen Standardabsagen, Passt nicht in unserer Programm... die verlegerischen Kapazitäten ausgeschöpft... Tut uns leid! Tut uns leid!... Schlimm genug! Aber dass jetzt ausgerechnet mein letztes Manuskript nicht nur einfach verschmäht worden war, sondern dass ihm auch noch eine demütigende Kritik auf den Weg mitgegeben wurde, schlug dem Fass nun wirklich den Boden aus. Als würde es nicht reichen, mich am Boden zerstört zu sehen, als wollte man mir jetzt noch den Todesstoß versetzen. Schnellschuss! Zu allem Überfluss erinnerte mich dieses Wort auch noch an Lilis letzten Besuch.
Jung’«, hatte mein Opa einmal gesagt, »so lange du dir noch die Eier kratzen kannst, hat dich der Tod noch nicht am Sack! Das Leben geht weiter, wenn nur du weitergehst.« Nun, in diesen Momenten hatte ich keinerlei Bedürfnis noch irgendwo hinzugehen. Der einzige Weg, den ich vor mir sah, war der zum Kühlschrank, um mir noch ein Bier zu holen.
Ich fühlte den Bierdeckel mit der Telefonnummer der Unscheinbaren in meiner Hosentasche. Nicht einmal eine Woche war vergangen, seitdem sie mir diesen Beweis ihrer Existenz überreicht hatte, denn wenn ich ehrlich bin: Ohne dieses Stück Pappe, welches ich anfassen konnte, auf welchem ich diese Telefonnummer lesen konnte, hätte ich vielleicht daran gezweifelt, die Unscheinbare je getroffen zu haben. Ich hätte sie vielleicht als Hirngespinst abgetan (vielleicht eine Nebenwirkung der Schmerztabletten), auch wenn ich in diesem Fall nur in meinen Aufzeichnungen hätte nachblättern müssen, um von ihr zu lesen. Und wenn ich dem, was ich schreibe, nicht trauen kann? Dieser Gedanken kam so schnell, wie er wieder verschwand. Nein! sagte ich mir, wie ich mit dem Rücken zum Kühlschrank saß, die Kälte genoss, den Bierdeckel in meiner Hand hielt und ein Bier trank. Nein! Ich kann meiner Schreibe trauen. Und plötzlich wusste ich, was ich tun würde:
Selbst ist der Mann, was im privaten Bereich manchmal notwendig ist, konnte doch im öffentlichen Raum der Literaturinteressierten nicht verkehrt sein. Warum eigentlich die Ablehnung meines Romans als endgültiges Urteil über die Qualität des Buches und meines Talentes akzeptieren?! Konnte es für die Zurückweisung nicht viele Gründe geben? Ignoranz? Überarbeitung der Lektoren? Vielleicht einfach der falsche Zeitpunkt, da mein Manuskript auf irgendeinem Schreibtisch landete? Schlechte Laune, das Wetter zu heiß, zu kalt, zu nass? Oder was auch immer. Und so war die erste Idee, die mir mein neu gefasster Mut eingab, jene, doch mal persönlich bei den Lektoren und Verlegern vorstellig zu werden, um ihnen mein Manuskript mit Nachdruck zu empfehlen, sie wenigstens so weit zu bringen, dass sie es überhaupt lasen, ja besser noch, in Ruhe lasen. Ein reizvoller Gedanke, eine solche Rundreise durch die Verlagslandschaft...
Aber um die Entscheidungsträger zu überzeugen, würde ein gewisser Druck von Nöten sein – und Druck erzeugen schien bei Lichte betrachtet keine geeignete Vorgehensweise zu sein, um eine langfristige fruchtbare Zusammenarbeit herbeizuführen. Also sagte ich mir: Wenn man nur genügend kleine Brötchen backt, wird auch ein Berg draus. Warum nicht erst einmal eine Lesung in Eigenregie organisieren? Leute aus dem näheren Umkreis auf meinen Roman aufmerksam machen, vielleicht sogar Leute vor Ort, die Kontakte haben? Das Schicksal konnte ja nicht immer gegen mich sein. Ja, auch ein kleiner Erfolg ist ein Erfolg, ausbaufähig, ein Fundament, vielleicht ein Stein, der in ein Gewässer geworfen, Wellen schlägt und weite Kreise zieht. Ins Gespräch kommen, das war die Devise, eine Lesung, dann vielleicht an anderem Ort eine Zweite, in einem Buchladen zum Beispiel. Voraussetzung war natürlich eine gewisse Medienwirksamkeit, ich musste versuchen, ein Teil der Medienwirklichkeit zu werden. Denn was nicht in der Zeitung steht, das gibt es nicht. Und wer weiß, vielleicht klopft ja irgendwann mal ein Verleger an meine Tür. Und sollte dies auch auf sich warten lassen, so hatte ich mir fest vorgenommen, mich in Geduld zu üben. Auch Rom ist nicht an einem Tag erbaut worden.
6.
Da ich nun meinen Weg vor mir sah, konnte ich es kaum
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