Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)
Aufschrei quittierte, wie ein Stein zur rechten Seite ab, so dass sich, nach ein paar Metern schräger Fahrt, der rechte Kühlergrill in den nassen Ackerboden bohrte, wobei ich vor das Lenkrad knallte. Mir drohten die Sinne zu schwinden, was mir in diesem Moment aber, ich muss es zugeben, geradezu gnädig erschien, denn ich hatte die Karre nicht nur in den Dreck gefahren, ich hatte sie auch abgewürgt, und das war schlecht, denn nun hörte ich ein Kichern, bei dem es mir kalt den Rücken hinunterlief. So diese Art von gehässigem, dämonischem Kichern, das nichts Gutes verheißt. Ich machte mir in die Hose, was auch nicht gerade dazu beitrug, dass ich mich besser und mehr Herr der Lage fühlte. Nein, ehrlich gesagt, geriet ich nun vollends in Panik, ich schrie so laut es meine Lungen hergaben um Hilfe, machte Anstalten, wegzulaufen, bekam aber die Autotür nicht auf. Schließlich krabbelte ich auf den Rücksitz und verkroch mich, so gut es das geringe Platzangebot und mein schmerzendes Rücken zuließ, im Fußraum. Wenn ich eine Decke gehabt hätte, hätte ich sie mir wohl über den Kopf gezogen.
4.
Es passierte – nichts. Lange Zeit passierte nichts. Endlich traute ich mich, hinter den Sitzen hervorzukriechen. Die waren weg! Weit und breit niemand zu sehen. Du bist wahnsinnig! schrie es in mir, jetzt bist du endgültig total durchgedreht! Machst dir vor Angst in die Hosen, und da ist nichts und wieder nichts! Und einen Augenblick lang kam mir dieser Gedanke schrecklicher vor, als alles andere, was ihm vorausgegangen war. Du bist verrückt, na klar! Gar nichts hast du im Griff, noch nicht mal die eigenen Tassen im Schrank! Kannst noch nicht mal mehr Hirngespinste und Wirklichkeit auseinanderhalten!
Dann aber sah ich die rauchenden Häufchen vor mir auf dem Feld, einige nur wenige Meter von meinem Auto entfernt. Plötzlich hatte ich einige verwirrte Atemzüge lang das Gefühl, dass es vielleicht eine Gnade sein könnte, mit Wahnsinn geschlagen zu sein. Waren die nun auch verschwunden, so konnten sie doch jederzeit wiederkommen. Jederzeit, und dann gäbe es vielleicht keinen Rücksitz, hinter dem ich mich verkriechen könnte, bis sie verschwinden. Dann würden sie vielleicht nicht mehr nur Käfer braten. Dann würden sie vielleicht nicht mehr verschwinden. Vielleicht. Aber vielleicht auch nicht. Wäre es da nicht gnädiger, jetzt auf der Stelle, den Verstand zu verlieren, als wenn einem durch die Warterei das Gehirn langsam durch die Mangel gedreht würde?
Aber ich wollte nicht reif für die Klapse enden! Nein, wenn sie mich schon erwischen, will ich mit klarem Blick in die Hölle fahren. Mit einem Mal wurde ich mächtig wütend, bzw. regelrecht vor lauter Ohnmacht wütend. Ich rüttelte an der Fahrertür, das Scheißding muss doch aufgehen! Dann stellte ich fest, dass der Knopf der Türverriegelung hinuntergedrückt war. Schnell entriegelte ich das Schloss und sprang aus dem Wagen heraus: » Kommt her, ihr Arschlöcher!«, schrie ich aufgebracht, »Kommt her und bringt es hinter euch!«
Ein wenig theatralisch stellte ich mich mit ausgebreiteten Armen auf die Straße, und schwer atmend wartete ich auf ihre Antwort, auf einen Blitz aus den Tiefen der Hölle, auf irgendwas. Aber nichts passierte. Na, fast nichts, eine vorüberfliegende Krähe schiss mir auf den ausgestreckten Arm, aber das reichte, um meine Wut weiter anzufachen. Schließlich heißt es doch Rabenvögel seien mit dem Bösen im Bunde. Die spielen mit dir! Die Schweine! Die lachen sich halb tot über dich!
» Ist das alles, was ihr könnt?!«, schrie ich außer mir, griff mir eine Handvoll Erde und warf sie der Krähe hinterher, die natürlich längst über alle Berge war, »Ihr armseligen Kreaturen! Ihr Dreck...!« Endlich aber verrauchte meine Wut, ich zündete mir eine Zigarette an.
Da stand ich also rauchend neben meinem Auto, noch ein wenig wackelig auf den Beinen und auch die Hand, in der ich die Zigarette hielt, zitterte noch leicht nach. Aber was soll ich sagen, der Schrecken, den ich gerade erst hinter mir gelassen hatte, begann schon zu verblassen. Nicht, dass ich vergaß, was ich erlebt hatte, beileibe nicht, ich spürte noch die Blicke, sah noch diese Flammengestalten deutlich vor meinem inneren Auge. Aber nun – da die Panik mich aus ihren Klauen entlassen hatte – erschien mir die Bedrohung, die von ihnen ausgegangen war, doch nicht so groß gewesen zu sein. Was hatten sie schon großartig getan? Na ja, mir einen
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