Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)
Pause. Die Sonne tauchte die Landschaft in märchenhaft satte Farben voller geflüsterter Versprechungen auf eine goldene Zukunft. Versprechen, von denen man weiß, dass sie eingehalten werden, schließlich gibt es im Märchen immer ein Happy End. Nichts deutete auf den Horror hin, den dieser Tag noch für mich bereithalten sollte, außer vielleicht der Gestank und die Fliegen in meinem Auto.
Nach meinem Entschluss, mein Auto endlich zu reinigen, hatte ich, unterstützt von Kaffee noch einige Stunden an meinen Aufzeichnungen gearbeitet. Die Schatten hatten sich nicht mehr gezeigt. Dann hatte ich nach einer erfrischenden kalten Dusche meine Pension verlassen und war zum Obi gefahren, der gerade seine Pforten öffnete, und hatte mir eine Hacke und eine Schaufel besorgt.
Ich war fest entschlossen, mir, entgegen meiner ablehnenden Haltung bezüglich des wilden Müllabladens, bei der Beseitigung der Abfälle zunutze zumachen, dass die Gegend rund um den Bodensee nicht nur schön ist, sondern dass es auch viel davon gibt. Ich sagte mir, dass manchmal der einzige Weg, sich treu zu bleiben, jener ist, entgegen seinen Überzeugungen zu handeln, sozusagen vom eingeschliffenen Weg abzukommen, auf den Holzweg zu geraten, um es mit noch einem Wort jenes Philosophen zu sagen, der hier ganz in der Nähe so tief dachte.
Nun, ich dachte an diesem Morgen nicht allzu viel nach, dazu war ich auch zu müde. Dafür grub ich, als ich im Konstanzer Hinterland eine geeignete Stelle in einem Waldstück gefunden hatte, um so tiefer und entledigte mich der während meiner letzten Woche in Wuppertal angefallenen Abfälle, die ich vergessen hatte, zur Müllverbrennung zu bringen.
Lächelnd, trotz der aufgrund der körperlichen Anstrengung des Grabens wieder aufgeflammten Rückenschmerzen, war ich danach durch die mal sanft zum See abfallende, dann wieder zu bewaldeten Hügeln aufsteigende Gegend gefahren. Es begann, wieder zu regnen, ja zu stürmen. Doch dies trübte mein Hochgefühl nicht. Mit weit geöffneten Fenstern, um mir die kalte, klare Luft um die Nase wehen zu lassen, Doors dabei hörend, Riders on the storm, ritt ich aufdem Sturm geritten, der von den Alpen herab über den Bodensee zog, denn wieder hatte ich ein paar Geister der Vergangenheit begraben, und was von ihnen noch in meiner Nähe weilte, dass zerstob im Wind, der durch die geöffneten Fenster sein fröhliches Sturmlied pfiff.
Ich weiß noch, wie mir durch den Kopf schoss, dass es schon seine Richtigkeit hat mit dem Spruch: Was du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf Morgen! Schließlich merkte ich an meiner Erleichterung, wie sehr mir diese hinausgeschobene Autoreinigung doch auf der Seele gelegen hatte. Unerledigte Dinge können ihre ganz eigene Dynamik entwickeln, dachte ich, wobei mir natürlich auch die Unscheinbare in den Sinn kam. Ganz in Gedanken versunken, was ich mit der Unscheinbaren anstellen würde, wenn ich sie denn endlich in die Finger bekäme, pfiff ich den nächsten Doors-Song auf der Kassette mit: Break on through (the other side) .
Ich Narr! Denn es brach wirklich etwas zur anderen Seite durch. Zu meiner Seite. Es begann damit, dass ich, wie bereits auf der Autobahn, das Gefühl hatte, da wäre etwas auf dem Rücksitz. Ich drehte mich um, da war nichts. Gleichwohl fühlte ich mich angeblickt, und während der Sturm stärker wurde und es blitzte und donnerte, wechselte meine Stimmung binnen weniger Herzschläge von irritiert zu nervös zu beunruhigt zu Furcht – und dann hatte ich plötzlich eine Höllenangst.
Allerdings versuchte ich zunächst noch, mich über diese Angst lustig zu machen. Habe ich zu viele schlechte Filme gesehen, oder was? meinte ich zu mir selbst. Lasse’ mich ins Bockshorn jagen von einer typischen Horrorfilmszenerie, Donner, Blitz, einsame Fahrt über enge Straßen, über denen dräuend dunkle Wolken hängen. Klischeehafter geht’s wohl nicht mehr! Sehe ich mich etwa schon wie in einem x-beliebigen Film einen Autoschaden haben, platter Reifer, so etwas in der Art, oder das Benzin ist alle? Der Wagen kommt an einem Waldrand zum Stehen oder am Rand eines Moores, nein, besser noch, in der Nähe eines Friedhofs... Hahaha!
3.
Mein Versuch, mich über meine Angst lustig zu machen, war nicht von Erfolg gekrönt, denn ich hatte wirklich meinen Audi am Rande eines Ackers abbremsen müssen. Ich kam mir fatalerweise vor, als würde ich an Fäden hängen, die Stephen King führt, geradeso als handle ich wie eine
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