Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)

Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition)

Titel: Abschied ist ein scharfes Schwert. Ein Mordsroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Boscher
Vom Netzwerk:
aber bemerkte ich, dass mich auch noch andere Menschen unfreundlich ansahen, und mir wurde bewusst, dass mein Lachen einen hysterischen Ton angenommen hatte, und ich verstummte beschämt. Die Menschen wandten sich von mir ab, aber das Gefühl angestarrt zu werden blieb. Ein unangenehmer Stammgast, der da wieder mal vorbeigekommen war. Dann aber merkte ich, dass es der Gitarrenspieler war, der mich unverwandt ansah. Als sich unsere Blicke begegneten, lächelte er mir zu. Ich lächelte zurück, mich in Gedanken ob meiner schon an Paranoia grenzenden Überempfindlichkeit scheltend, doch in diesem Moment ließ er die letzten Töne des alten Animals -Hits ausklingen und stimmte The End an. Und ich nässte mich zum zweiten Mal binnen weniger Stunden ein. In meinem Ohren hatte das Kinderlachen plötzlich alle Fröhlichkeit verloren. Wie in Trance blickte ich auf, erwartete, eine Horde gehässig kichernder Kinder rund um mich herumstehen zu sehen, die mit ihren Fingern auf mich zeigen. Mama, Mama, schau’ mal, dieser Pisser! Aber keines der Kinder beachtete mich, sie liefen alle jauchzend kreuz und quer über das Pflaster hinter ihren Luftballons hinterher. Gerade in Griffhöhe über dem Boden schwebenden, bunten Gesichtern des hauseigenen McDonalds-Clowns, dessen Grinsen in den gierigen Kinderhänden, sobald diese einen der Ballons erhaschen konnten, mit einem lauten Knall zerplatzte, was von den süßen Kleinen dieses Mal aber nicht mit Weinen, sondern mit freudigem Lachen erwidert wurde. Denn was machte schon ein kaputter Ballon, wo es davon doch so viele gab. Dies war mir zuvor entgangen, aber tatsächlich schwebten unzählige, vielleicht Hunderte dieser Clownsgesichter über der Marktstätte. Die Kinder wussten gar nicht, wohin sie zuerst greifen sollten. Und noch etwas war mir entgangen, aber die Musik trieb es hervor: Dieser Clown hatte Gesichtszüge, die mich an Tim Curry in der Rolle des Pennywise erinnerten, eine der Gestalten des absolut Bösen aus Kings Es. Kein sonderlich origineller Gedanke. Bei Kings Vorliebe für Horror, der aus der Mitte des Gewohnten herausbricht, liegt es nahe, auch wenn es mir bis dato noch nicht aufgefallen war, dass ihm dieses bei allen Kindern bekannte McDonalds Maskottchen als Inspiration für Pennywise gedient hatte. Aber, ob originell oder nicht, bei diesem Grinsen, diesen Augen lief es mir kalt den Rücken hinunter. Fehlte nur noch, dass diese unzähligen Clowns den Mund öffnen und spitze Zähne zum Vorschein kommen. Beinahe hörte ich die Stimme von Pennywise zu den Klängen von The End beschwörend murmeln: Hier unten fliegen wir alle! Ein Pennywise-Chor, der singt: Komm’ doch zu uns! Einmal im Leben mit Pennywise schweben!
    Glücklicherweise sangen diese Ballon-Clowns nicht, sie zerplatzten nur einer nach dem anderen. Ein Höllenspektakel. Bald schon war die ganze Marktstätte übersät mit Gummifetzen, und immer noch schwebten vereinzelte Ronald McDonald-Gesichter über diesem Ballon-Massaker, auf die sich die Kinder völlig außer Rand und Band stürzten, als gäbe es das Eiserne Kreuz für dasjenige Kind, das die meisten Ballons zur Strecke bringt. Wenn mir bei dem Erklingen des Doors-Song nicht der Schrecken in die Glieder gefahren wäre, hätte dieses Bild durchaus komisch sein können. Ich versuchte auch ein Lachen, aber als ich sah, dass es mittlerweile nicht mehr die Kinderhände waren, die die Ballons zum Platzen brachten, blieb mir das Lachen im Hals stecken.
    Ein Pennywise-Alter Ego schwebte direkt an mir vorüber und starrte mich an, dabei begannen seine Augen zu leuchten, ja, zu glühen. Ein Glühen, das sich über seine roter werdenden Wangen ausbreitete, bis es seine Lippen erreichte, die sich in der von innen zehrenden Hitze aufblähten, Blasen warfen, wie auch seine Augen Blasen warfen, was aussah, als würden sich die aufgemalten Pupillen nach außen stülpten, wobei sie dunkler und dunkler wurden, schwarz, bis sie und der Rest des schmelzenden Gummis zerplatzten.
    Ich schrie auf, als mir ein heißer Fetzen auf den Handrücken fiel, den ich aber glücklicherweise mit meinem Feuerzeug abkratzen konnte, bevor sich das Gummi in meine Haut einbrannte. Einen kurzen Moment hatte ich das eklige Gefühl, als zwinkere mir von meinem Handrücken aus der Abdruck eines Clownauges zu, aber das Auge verschwand mit dem gröbsten Schmerz. Was blieb war nur der furchtbare Gedanke: Die sind wieder da! , der einen noch furchtbareren Bruder an der Hand hielt: Jetzt geht es dir

Weitere Kostenlose Bücher