Abschied und Wiedersehen
nach gelungenem Durchbruch von hinten aufzurollen. Aber die Vortragskunst und die Schönheit der Braut ihres Hauptmanns haben die Männer zu solcher Begeisterung entflammt, daß sie den feindlichen Angriff nicht nur Zurückschlagen, sondern ihrerseits tief in den Feind hineinstoßen, seine Stellungen überrennen und einen fluchtartigen Rückzug erzwingen. Den schwerverwundeten Hauptmann hat sein treuer Bursche aus dem Feuer geholt. Seine tapfere Braut und ihre Zofe aber haben sich inzwischen dem Feldlazarett als Schwestern zur Verfügung gestellt, in dem der Hauptmann, notdürftig zurechtgeflickt, noch vor dem Abtransport in die Heimat von seinem General im Auftrag des Führers mit dem Ritterkreuz dekoriert wird. —
Mir wurden die Hände feucht. Was tun? Ich schrieb Herrn Duday, daß ich das Exposé mit tiefer Erschütterung gelesen hätte, im Augenblick und für die nächste Zeit aber von solchen Schmerzen geplagt sei, daß ich den ehrenvollen und gewiß auch lukrativen Auftrag leider nicht übernehmen könne. Vielleicht hatte ich mich zu vorsichtig ausgedrückt, vielleicht aber hatte er auch meine >tiefe Erschütterung« für bare Münze genommen, obwohl ich mir nicht vorstellen konnte, daß ein Mann wie Duday plötzlich den Verstand verloren haben könnte. Drei oder vier Tage vergingen, und ich hoffte schon, daß dieser bittere Kelch glücklich an mir vorübergegangen sei, als Mater Venantia, unser Englisches und wirklich engelsgleiches Fräulein, in dem Schlafsaal erschien, den ich mit einem Dutzend Landser teilte, an mein Bett trat und mich aufforderte, beim Herrn Oberstabsarzt, dem Chef des Lazaretts, anzutreten. Sie erschien mir ein wenig verstört, und ich fürchtete schon, der Chef habe erfahren, daß ich die dreißig Aspirin, die mir von ihm als Tablettenstoß verordnet worden waren, in den Lokus geschüttet hatte. Nichts davon. Es wäre Besuch für mich da, ein hoher Offizier, der mich zu sprechen wünsche. Etwa Duday höchstpersönlich? Nein, es war ein Major vom Stab der Propagandaabteilung, der mich in Gegenwart des Chefs empfing und leutselig abwinkte, als ich - unrasiert und schmerzverkrümmt - Haltung annehmen wollte. Die Erkundigung, die er beim Chef über meinen Gesundheitszustand eingeholt hatte, schien miserabel gewesen zu sein, denn er sagte gleich, Herr Duday sei sehr erfreut gewesen, daß ich im Prinzip damit einverstanden gewesen sei, Treatment und Drehbuch zu schreiben, aber die Sache eile, allzuviel Zeit könne man nicht verlieren, und er werde in zwei oder drei Wochen wieder vorsprechen oder einen seiner Herren beauftragen, mit mir in Verbindung zu bleiben. Er wünschte mir baldige Genesung, verabschiedete sich vom Chef und winkte mir einen leutseligen Gruß zu. Der Chef aber sah mich äußerst sauer an. Zumindest schien er mich für einen wilden Nazi zu halten. Er war ganz gewiß keiner, denn die Englischen Fräulein schätzten ihn sehr.
»Sagen Sie mal, was sind Sie eigentlich für einer?« knurrte er mich an. »Sollen sich solche Besuche von jetzt an etwa alle paar Tage wiederholen?«
Ich versuchte ihm zu erklären, was ich für einer wäre. Darauf knurrte er etwas liebenswürdiger. Dann holte ich das Exposé und gab es ihm zu lesen. Als er fertig war, ging er an den Schrank und trank, um seine Übelkeit zu bekämpfen, einen Schnaps. Ich hoffte, er würde mir auch einen anbieten, aber das war wohl unter seiner Würde. »Was mache ich nun mit Ihnen?« fragte er angewidert.
Ich erlaubte mir den Vorschlag, falls er sich durch weitere Besuche gestört fühle, mich noch einige Tage in Sparz zu behalten, dann Herrn Duday ein Attest zu schicken, daß mit meinem baldigen Ableben zu rechnen sei, und mich in ein anderes Lazarett zu überweisen.
»Wollen Sie etwa auf die Uk-Stellung und auf das Honorar verzichten?« fragte er mit schiefem Mund.
»Ich denke zuweilen an die Zukunft, Herr Oberstabsarzt...«
Darauf wollte er etwas erwidern, was er dann aber doch lieber ungesagt sein ließ: »Hauen Sie ab, Mann!« sagte er barsch, »ich will sehen, was ich für Sie tun kann.«
Zehn Tage später wurde ich nach Bad Aibling in Marsch gesetzt, wo ich in dem zum Lazarett umgewandelten Kurhaus Johannisbad Aufnahme fand und durch Moorbäder und Massagen wieder halbwegs auf die Beine gestellt wurde. Von dem Filmprojekt habe ich nie wieder gehört, und Herr Duday scheint auch niemand gefunden zu haben, den Uk-Stellung und Honorar verlocken konnten, sich an die Arbeit zu machen.
Zum zwölften
Weitere Kostenlose Bücher