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Abschied und Wiedersehen

Abschied und Wiedersehen

Titel: Abschied und Wiedersehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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Blutsbrüderschaft, rauchten das letzte Calumet miteinander und schworen feierlich, treu über die Trennung hinweg zusammenzuhalten. Kurz vor Ostern fand der Umzug statt. Dieses Mal nicht mit Gefangenen, sondern mit einem richtigen Möbelwagen und mit richtigen Packern, die unsere Möbel und den Trautwein in der Tiergartenstraße einluden und am nächsten Tag in Bartenstein vor dem Amtsgericht ausluden und nach Mutters Anweisungen in die Zimmer verteilten. Jetzt, da die Wände gestrichen waren und die Dielenbretter im Glanz der hellbraunen Lackfarbe schimmerten, sahen die Räume gar nicht mehr so düster und behördlich aus wie bei der ersten Besichtigung. Auch der Mief hatte sich daraus verflüchtigt. Nur kleiner geworden waren sie inzwischen leider nicht. Das große Büfett und die rote Plüschgarnitur mit dem runden Mahagonitisch wirkten darin wie Puppenmöbel. Aber die Wohnung war warm. Der gute Herr Ewert hatte die Kachelöfen schon seit Tagen heizen lassen, und zwar von einem Kalfaktor, den ihm die Gefängnisverwaltung zum Heizen der zahllosen Öfen in beiden Gerichtsgebäuden und zur Reinigung der Räume zur Verfügung stellte. Er hieß Gustav Bradzio und war ein freundlicher und ruhiger älterer Mann, der wegen Brandstiftung und versuchtem Versicherungsbetrug vier Jahre abzubrummen hatte. Mir schwor er hoch und heilig, was er auch in der Verhandlung beschworen hatte, daß ihm beim Futterholen vom Heuboden für seine zwei Kühe eine Leitersprosse durchgebrochen sei, daß er beim Sturz die Stallaterne verloren hätte und daß der Brand so schnell um sich gegriffen habe, daß er gerade noch Zeit gefunden hätte, die Kühe aus dem Stall zu zerren. Das Gericht hatte ihm das nicht abgenommen, aber ich glaubte ihm aufs Wort. - Geld durften wir ihm nicht geben. Für seine Dienste entrichtete Vater monatlich einen kleinen Betrag an die Gefängnisverwaltung. Mutter, die ihm anfänglich mit größter Zurückhaltung und Skepsis begegnete, wurde er bald unentbehrlich, denn er verstand sich auf alles; ob es da etwas zu streichen, zu leimen, zu nageln oder zu kitten gab, unser Bradzio brachte die Sache in Ordnung. Und Großmutter las er jeden Wunsch von den Augen ab. Für sie wäre er durchs Feuer gegangen. Sie steckte ihm allerdings auch immer etwas zu, ein Stück Brot, einen Wurstzipfel, einen Kuchenrest oder eine Zigarre, die sie weiß Gott wo aufgetrieben hatte. Denn nicht Mutter, sondern Großmutter war es, die die ersten Fäden und Verbindungen zu den Bartensteiner Kaufleuten und zu den Bauernhöfen in der engeren Umgebung der Stadt spann.
    Von den beiden Zimmern auf der anderen Korridorseite richtete Großmutter sich in einem ein. Meine Hoffnung, die Eltern würden mir erlauben, das andere zu beziehen und nach meinem Geschmack einzurichten, erfüllte sich leider nicht. Sie befürchteten wohl, daß ich ihrer Aufsicht dort allzu weit entzogen sei. Mir stellten sie ein eisernes Bett und den alten Schreibtisch von meinem Bruder Ernst in das schmale, einfenstrige Durchgangszimmerchen, das zwischen der Küche und dem Wohnzimmer lag, in dem wir unsere Mahlzeiten einnahmen. Heizbar war die kleine Bude nicht, und um sie im Winter ein wenig zu erwärmen, blieb die Tür zum Wohnraum tagsüber offen. Sie hatte nicht einmal einen Anschluß für Gasbeleuchtung. Ich bekam eine kleine Petroleumlampe mit einem Schirm aus grünem Glas und zugleich die Ermahnung, mit dem Petroleum äußerst sparsam umzugehen. Das brachte mich bald auf den Gedanken, mir eine Karbidlampe zu besorgen, denn Karbid gab es in jeder Menge zu kaufen; die Schwierigkeit war dabei nur, die Karbidmenge für die Dauer einer Lesestunde abzumessen, denn man konnte die Flamme ja nicht einfach ausblasen. Das Gas zischte weiter aus der Düse und stank zum Gotterbarmen. Es roch auch sonst nicht gut. Ja, die schönen Königsberger Zeiten, wo man das Licht an- und ausknipsen konnte, waren vorbei. Wir waren zur Gasbeleuchtung zurückgekehrt. In der Küche schloß der Bradzio Mutters Bratröhre und den zweiflammigen Gaskocher mit Gummischläuchen an das
    Leitungsrohr an, und Mutter konnte uns als erste Mahlzeit in der neuen Wohnung Griesbrei mit Himbeersoße vorsetzen. Es waren wahrhaftig zwei Gummischläuche mit Gummimuffen, die Mutters Kochgeräte mit der Rohrleitungverbanden. Ein wenig nach Gas roch es immer in der Küche, und daß ich diese Zeilen überhaupt schreiben kann, verdanke ich fraglos einem besonders tüchtigen Schutzengel.
    Am Oster-Sonnabend steckte der

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