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Abschied und Wiedersehen

Abschied und Wiedersehen

Titel: Abschied und Wiedersehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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einer Bronzeplastik in den Grünanlagen des neuen Justizpalastes, verabschiedete er sich von mir.
    »Da ist noch der Scherer«, sagte er und drückte mir das Buch in die Hand, »für mich unnötiger Ballast. Vielleicht kannst du ihn brauchen...«
    Ich klopfte ihm auf die Schulter: »Schönen Dank, Heinrich, und mach’s gut. Dann also - bis zum nächsten Mal.« Zu Hause angekommen schlug ich das Buch auf und las die Widmung. Die Eltern und Großmutter spielten im Wohnzimmer die letzte Skatrunde. Mutter rief mir zu, daß mein Abendbrot in der Küche stände. Heringssalat... Ich stürzte aus dem Haus und rannte den Weg zurück. Aber ich kam zu spät. Von den Leuten, die noch aufgeregt um die Bank herumstanden, auf der man ihn gefunden hatte, erfuhr ich, daß Passanten den Schuß gehört und die Polizei alarmiert hatten. Er hätte noch gelebt und schrecklich gestöhnt, als man ihn abtransportierte. Er hatte sich blind geschossen und lebte noch zwei Tage, aber die Ärzte versicherten mir, daß er nicht gelitten und ohne Bewußtsein in den Tod hinübergeglitten sei.
    Nun, ich hatte es mit einer gehörigen Portion Glück gerade noch einmal geschafft und faßte die besten Vorsätze, in den beiden Jahren, die mich noch vom Abitur trennten, nicht nur immens tüchtig zu arbeiten, sondern mich auch eines Lebenswandels zu befleißigen, der Gott und den Menschen wohlgefällig war - vor allem aber, meine freche Schnauze zu bremsen, mit der ich mir schon manche böse Suppe eingebrockt hatte. Nach gründlicher Überlegung erschien es mir nicht ratsam, in Königsberg wieder aufs Friedrichskolleg zurückzukehren. Da saßen gewiß noch einige Herren im Lehrkörper, die mich nicht in der besten Erinnerung hatten. So schlug ich Vater vor, mich im Stadtgymnasium Altstadt-Kneiphof anzumelden. Er hatte nichts dagegen einzuwenden. Inzwischen übernahm
    Mutter die Wohnungssuche. Sie pendelte vierzehn Tage lang häufig zwischen Bartenstein und Königsberg hin und her und kam eines Tages überglücklich zurück, denn sie hatte auf den Hufen in der Bachstraße mit einer Gärtnerei als Gegenüber ihre Traumwohnung gefunden. Eine Wohnung mit vier großen Zimmern, von denen Großmutter eins beziehen sollte, und mit einer geräumigen Mädchenkammer mit Lichtanschluß, die ich mir einrichten durfte. Und ein großer Balkon mit Blick auf die Gärtnerei war auch dabei. Mutter sah schon die Petunien in den Balkonkästen vor sich, und auch den Kaffeetisch, den sie den Damen ihres Kränzchens decken würde. - Die Spediteure waren für den Donnerstag nach dem Osterfest bestellt. Mir blieben zehn Tage, um mich von Bartenstein zu verabschieden. Von der Penne schied ich leichten Herzens. Von den Freunden, die ich hier gewonnen hatte, und von der kleinen Stadt, die mir so vertraut geworden war, als wäre sie ein Stück von mir, fiel mir der Abschied schwer. Am bittersten aber war der Gedanke, daß der Umzug nach Königsberg auch die Trennung von Gertrud Fleming bedeutete.
    Ich hatte sie seit vierzehn Tagen nicht gesehen, da eine Schwester ihres Mannes sich für zwei Wochen zu Besuch angemeldet hatte. Frau Fleming hatte mich nicht ausdrücklich gebeten, meine Besuche im Gerlachschen Haus während der Anwesenheit ihrer Schwägerin einzustellen, aber ich spürte, daß es ihr lieber war, wenn ich während des Besuchs fernblieb. Aber auch mir lag nichts daran, der Dame zu begegnen. Denn mein Verhältnis zu Gertrud Fleming hatte im Verlaufe der Wochen und Monate eine Wandlung durchgemacht, nicht von ihrer, wohl aber von meiner Seite. Ich hatte mich in die schöne junge Frau glühend verliebt. Es kann ihr nicht verborgen geblieben sein, wie es um mich und meine Gefühle für sie bestellt war, aber sie tat unbefangen, hielt mich mit leichter Hand auf Distanz, spielte mit mir ein Spiel, das sie amüsant und vielleicht auch ein wenig schmeichelhaft fand, und verstand es stets, das Feuer auf Sparflamme herunterzuschrauben, wenn es emporzulodern drohte. Dabei spürte sie wohl auch, daß ich nicht einmal daran zu denken wagte, sie als Frau zu begehren. Ich brannte sozusagen sauber...
    Am Gründonnerstag setzte uns Mutter wie alljährlich zum Kaffee den über das ganze Kuchenblech ausgezogenen, mit Mandelsplittern überstreuten Gründonnerstag-Kringel vor. Vater vertilgte die Hälfte davon und ließ sich seine einen halben Liter fassende Barttasse dreimal füllen. Ich würgte an dem kleinen Stück, das ich mir auf den Teller gelegt hatte. Die verdammte Schwägerin raubte mir

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