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Abschied und Wiedersehen

Abschied und Wiedersehen

Titel: Abschied und Wiedersehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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seit acht Tagen den Appetit und die Ruhe. Großmutter sah mich über die Brille hinweg besorgt an: »Fieber hat er nicht, aber es steckt was im Jungen drin, was mir gar nicht gefällt...«
    Lieber Gott, wenn sie gewußt hätten, was in mir drinsteckte! Als es endlich Abend wurde, hielt ich es nicht länger in meiner kleinen Bude aus. Ich mußte Gertrud Fleming sehen, wenn auch nur für einen Augenblick und für ein Wort zwischen Tür und Angel. Ich lief über den Anger in die Stadt. Vom Kirchturm hallten acht Schläge über die Angerwiesen herüber. Es war eine verhangene, milde Aprilnacht. Der See war schon seit Mitte März eisfrei, und der Schnee längst von den Dächern getaut. Ein grünes Osterfest war zu erwarten. Die Fenster im Erdgeschoß und im oberen Stockwerk waren dunkel. Es schien niemand im Hause zu sein. Ich läutete zaghaft, innen schepperte die Glocke, aber nichts rührte sich im Haus. Sollte ich es noch einmal versuchen? Ich lauschte in die Nacht.
    Auf der Straße näherten sich Schritte, jemand drückte die Klinke der Gartenpforte nieder und kam auf mich zu. Ich räusperte mich laut.
    »Mein Gott, haben Sie mich erschreckt!« stieß sie mit kurzem Atem hervor.
    »Entschuldigen Sie, ich habe zweimal geläutet, aber es hat sich niemand gemeldet...«
    Sie kam mir entgegen. Ich erkannte die Umrisse ihrer Gestalt. In ihrer Hand klirrte das Schlüsselbund: »Kein Wunder, es ist niemand im Hause. Ich habe meine Eltern gestern zur Bahn gebracht. Sie wollen die Osterfeiertage bei einem Bruder meines Vaters in Osterode verbringen...«
    »Und Ihre Schwägerin?«
    »Die ist schon vor acht Tagen abgedampft. Es war ihr hier wohl nicht abwechslungsreich genug...«
    »Mein Gott, wenn ich das geahnt hätte!«
    »Ich wollte Ihnen eine Nachricht zukommen lassen, aber ich habe mich nicht recht getraut. Oder wissen Ihre Eltern von unserer Bekanntschaft?«
    Ich zögerte mit der Antwort...
    »Das habe ich mir gedacht«, sagte sie mit einem kleinen, kehligen Lachen, »und deshalb ließ ich den Brief lieber in meiner Handtasche.«
    Sie sperrte die Haustür auf und forderte mich auf, einzutreten. Die Tür fiel ins Schloß. Wir standen in völliger Finsternis so nah beieinander, daß ich ihre Wärme spürte und den Duft ihrer Haut atmete. Sie suchte in ihrer Handtasche nach den Zündhölzern, um die Kerze anzubrennen. »Sie wollten mir wirklich schreiben?« fragte ich atemlos. »Ja - und ich wollte Ihnen auch gratulieren, denn ich hörte, daß Sie die Versetzung geschafft haben...« »Wenn Sie wüßten, wie ich mich nach Ihnen gesehnt habe«, flüsterte ich mit trockener Kehle.
    Ihre Hände suchten meinen Kopf: »Ach, mein Kleiner«, hauchte sie mir ins Ohr, »du hast mir auch gefehlt...« Ihre Lippen suchten meinen Mund zu einem Kuß, wie ich noch nie geküßt worden war. Das waren nicht die harten, trockenen und fest geschlossenen Lippen, die mir das spröde Kätchen zum Kuß geboten hatte. Und es war kein flacher Mädchenkörper, den ich in den Armen hielt, sondern der weiche, üppige Leib einer reifen Frau. Einer Frau mit einem Hunger nach Zärtlichkeiten, der jahrelang nicht gestillt worden war. Und ich hatte das Gefühl, in einen Wirbel geraten zu sein, der mich schwindlig machte und mich gleichzeitig lähmte, ich empfand dabei keine Angst, obwohl ich das Empfinden hatte, den Boden unter den Füßen verloren zu haben und zu stürzen, in einen saugenden Abgrund, in die Leere, ins Nichts.
    »Nicht doch...« flüsterte sie und schlüpfte aus meinen Händen, »wir haben doch Zeit. Du hast doch Zeit, nicht wahr? Oder muß mein kleiner Junge pünktlich um zehn zu Hause sein?«
    »Natürlich nicht! Ich bleibe bei dir, solange du mir zu bleiben erlaubst.«
    »Dann laß mich die Kerze anzünden. Und leg deinen Mantel ab, die Knöpfe tun mir weh...«
    Ein Zündhölzchen flammte auf, und sie entzündete die Kerze vor dem Garderobenspiegel. Wie schön sie war! Eine Flechte ihres schwarzen Haares hatte sich gelöst und fiel über ihre Wange. Das flackernde Kerzenlicht zauberte geheimnisvolle Schatten in ihr Antlitz. Die kleine, gelbe Flamme spiegelte sich in ihren großen dunklen Augen. Ich starrte sie an, als könne ich nicht glauben, was vor Sekunden zwischen uns geschehen war. Meine Kehle war wie ausgedörrt.
    »Geh voraus«, sagte sie sanft, »zieh die Vorhänge zu und zünde das Feuer im Kamin an. Ich bin gleich bei dir.« Sie ließ mich ziemlich lange warten, aber ich wartete geduldig. Das Kaminfeuer begann den Raum zu

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