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Abschied und Wiedersehen

Abschied und Wiedersehen

Titel: Abschied und Wiedersehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Biernath
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wärmen. Ich zündete auch die Kerzen in dem dreiarmigen Messingleuchter über dem Kamin an.
    »Lösch die Kerzen«, sagte sie, als sie endlich die Tür öffnete. Ich blies die Flammen mit drei kurzen Atemstößen aus. Die knisternde Glut der Tannenzapfen im Kamin tauchte nur den nahen Umkreis in einen schwachen, rötlichen Lichtschimmer, den der schwarze Lack des Flügels aufzusaugen schien. - Wenn es in ihrer Absicht gelegen hatte, mich vollends in Verwirrung zu bringen, dann war ihr das gelungen. Sie hatte das Haar gelöst und mit einer roten Seidenschleife im Nacken zusammengebunden. Die bloßen Füße steckten in zierlichen Pantöffelchen mit einem Saum schneeweißen Schwanenflaums. Und sie war unter dem schwarzen Morgenmantel mit bunten Stickereien aus Gold- und Seidenfäden nackt. Mit ihren schräg geschnittenen Augen, den hohen Jochbögen und dem rabenschwarzen glatten Haar, das ihr weich über die Schulter fiel, kam sie mir wie eine Erscheinung aus einem orientalischen Märchen entgegen - Scheherazade, Turandot, Madame Butterfly, eine Prinzessin aus Tausendundeiner Nacht...
    »Gefalle ich dir so?« fragte sie mit einer Stimme, die wie der Lockruf einer Taube aus ihrer Kehle kam.
    Ich schluckte und brachte keinen Laut heraus.
    »Komm«, sagte sie und streckte mir die Hand entgegen. Der Mantel öffnete sich vor ihren vollen, weißen Brüsten mit großen, dunklen Warzenhöfen. Ich nahm ihre Hand und ließ mich wie blind durch das dunkle Haus in ihr Schlafzimmer führen. Eine winzige Petroleumlampe mit einem Schirm aus gelblich getöntem Glas brannte mit einer winzigen Flamme, so daß ich noch die Umrisse der Möbel, eines breiten Bettes, eines hohen dunklen Schrankes und einer hellen Wäschekommode erkennen konnte. Sie ließ den Mantel fallen und schlüpfte ins Bett und zog die Decke über sich. Das Zimmer war ungeheizt.
    »Laß mich nicht frieren...« flüsterte sie mir zu und streckte die Arme nach mir aus. Ich riß mir die Kleider herunter und stürzte in ihre Wärme, von einem Glücksgefühl erfüllt, das mir die Brust sprengen wollte und fast schmerzhaft war. Ihre Lippen glitten über mein Gesicht, ihre Zähne gruben sich in meine Schulter, sie stöhnte unter mir...
    Und dann traf mich die Ohrfeige, die eisige Dusche, der trockene Leberhaken...
    »Oh Alex, Liebling, daß du wieder bei mir bist...!«
    Es war ein Grabstein, der mich erschlug. Grauer Granit, blank poliert, und eine Inschrift in goldenen Lettern

    DR. MED ALEXANDER FLEMING
    Stabsarzt
    * 1884 † 1920

    Ich weiß nicht, wie ich aus dem Hause gekommen bin. Vielleicht ließ auch Joseph auf der Flucht vor Frau Potiphar ein Halstuch oder eine Sandale in ihrem Schlafzimmer zurück. Ich jedenfalls kam nach langem Umherirren durch die menschenleere nächtliche Stadt irgendwann ohne Schlips und mit nur einem Strumpf zu Hause an, schlich in meine Bude, warf mich ins Bett und weinte meine Wut und meine Enttäuschung, nichts als Ersatz für einen Toten gewesen zu sein, in die Hühnerfedern meines Kopfkissens. Ich war mit der Schule fertig, mit Bartenstein fertig - und für alle Zeiten von der Liebe geheilt. -Das Osterfest kam und ging vorüber. Ich verkroch mich in mein Zimmer, fühlte mich sterbenselend, wünschte mir nichts sehnlicher als eine Krankheit herbei, um Vaters österlichen Freßorgien und dem trauten Familienleben zu entkommen, bekam durch ein Wunder tatsächlich 39.4 Fieber, Großmutter flößte mir Kamillentee ein und stopfte mich mit Aspirintabletten voll, und als die Spediteure kamen, stand ich fieberfrei und gesund auf und marschierte zum letzten Mal über das Bartensteiner Pflaster zum Bahnhof.

    Wie sehr sich doch Königsberg in den fünf kurzen Jahren meiner Abwesenheit verändert hatte! Nicht im Kern. Da standen die alten Speicher mit ihren spitzen Giebeln an der Lastadie wie eh und je, und immer noch stauten sich die Straßenbahnen und Autos, wenn die Krämerbrücke hochgezogen wurde, um die Schlepper und Schiffe passieren zu lassen. Da stand in der Königstraße und auf dem Steindamm noch jedes Haus genauso, wie ich es in der Erinnerung hatte. Aber außerhalb der alten Stadtmauer, außerhalb der längst geschleiften Tore, die ausgesehen hatten, als wären sie aus einem Anker-Steinbaukasten aufgeführt worden, platzte die Stadt aus den Nähten. Hinter dem Steindammer Tor, das wir in den ersten Königsberger Jahren noch passiert hatten, wenn wir zum Tiergarten gingen, oder wenn die Eltern in den Etablissements von Sabrowski oder

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