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Abschied von Chautauqua

Titel: Abschied von Chautauqua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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überlebt hatte. Daran war nichts Schlimmes; es lag nur an ihrer Stimmung, ihren Verhältnissen in Verbindung mit dem düsteren Tag.
      Sie ließ den Wagen an und fuhr los, bevor die Autos die Fähre verlassen konnten. Sie hatte sich eigentlich auf den Käseladen gefreut, doch inzwischen bereitete ihr der Gedanke daran keine Freude mehr, kam ihr nur wie ein kurzer Zwischenstopp vor, nicht wie ein echtes Fahrtziel. Sie schaute in den Rückspiegel. Nur das gelbe, klotzige Lenhart war zu sehen, die endlose Veranda mit ihren Schaukelstühlen, die heckengesäumte Promenade. Es lag wohl wieder an der nachlassenden Wirkung des Alkohols und ihrer Angst, denn sie hatte das Gefühl, als könnte sie hinter dem äußeren Schein der Welt eine letzte Wahrheit erblicken, in der ihr Leben kaum noch eine Rolle spielte, nur ein Spielstein, eine unbedeutende Spielmarke war. Egal, ob Sehenswürdigkeit oder nicht, das Lenhart würde abbrennen oder verfallen, abgerissen werden wie Kenneths Putt-Putt, und die neue Brücke genauso, sie würde gesprengt werden, im Beisein einer jubelnden Menge wie damals bei den brennenden Dampfschiffen vor dem Celoron Park, doch die Landspitze würde immer da sein, ewig, für alle Zeiten, sie würde im Wechsel der Jahreszeiten über den See wachen.
      Alles ging vorbei. Und das war richtig, dachte sie. Es hatte keinen Sinn, dagegen anzukämpfen. Das war nicht zu ändern, und doch ließ ihr die unentrinnbare Bestimmung des Lebens keine Ruhe, Tod ohne Auferstehung, das Ende von allem.
      «Dein Blinker ist an», sagte Emily.
      «Danke.» Arlene schaltete ihn aus.
     
     
* 15
     
    In dem neuen Zwei-Dollar-Raum roch es muffig und nach Katzenpisse, und in den Regalen herrschte keinerlei Ordnung. Die obersten Reihen waren so hoch, dass nur ein Riese heranreichen konnte, aber es gab weder einen Hocker noch eine Trittleiter, nur zwei Klapptische mitten im Raum, auf denen Kartons voller Lexika mit der Aufschrift UNVERKÄUFLICH gestapelt waren, als könnte sich jemand damit aus dem Staub machen. Alles war aus billigem Kiefernholz zusammengeschustert, aus dessen dunklen Astknoten der Saft troff. Die Regale waren richtig voll gestopft, was den Büchern nicht gut tun konnte. Lise schob sich langsam vorwärts und blieb immer wieder stehen, den Kopf zur Seite gelegt, um die Schrift auf den Buchrücken lesen zu können. Eine Hand blieb am Regal, während sie mit der anderen ihre Nackenmuskeln massierte.
      Die Bücher stammten aus Kellern und von Dachböden, aus Kinderzimmern, in denen längst keiner mehr wohnte, aus den Häusern kürzlich Verstorbener. Wie in einer Zeitschleife. Sie erkannte Bücher wieder, die sie in der High School und in den Englischkursen auf dem College hatte lesen müssen: Dutzende weicher, eselsohriger Exemplare von Der Fänger im Roggen und Der große Gatsby, Sechziger Jahre-Paperbacks von John Updike, die Schnittflächen blau, rot oder cheddargelb. Es gab revolutionäre Bestseller wie Seele auf Eis und Der Weiblichkeitswahn oder die Selbstbefreiung der Frau, Im gelobten Land und Die sinnliche Frau und direkt daneben gezwängt ein Börsenführer aus den achtziger Jahren, ein Buch, das einem erklärte, wie man beim Poker gewann, ein paar Bände einer Pearl S. Buck-Ausgabe in der ausgeblichenen Farbe von Kinderaspirin. Es gab drei Exemplare von Emily Posts Etiquette und Kirchenkochbücher in Plastikspiralbindung, Ripley's Believelt or Not .'-Anthologien und ein Wörterbuch, das den Stempel EIGENTUM DER FREDONIA STATE UNI-VERSITY trug (so eins könnten wir auch für Scrabble gebrauchen, dachte Lise), außerdem die üblichen Buchclub-Angebote von Danielle Steel, John Grisham und Stephen King. Es gab Bücher über die Football-Stars von 1973 und Die Pentagon-Papiere Rod McKuen, Arthur Hailey, Judith Michaels, A.J. Cronin.
      «Alles Ramsch», sagte sie und richtete sich auf, ihre Augen müde, ihre Stirnhöhle durch Schimmel und Staub verstopft.
      Die Regale nahmen alle vier Wände ein, das einzige Licht die Neonleuchten an der Decke. Es war die Mühe nicht wert. Sie hatte sowieso nicht vorgehabt, etwas zu kaufen. Der Gedanke war, sich die Bücher mit Freude anzuschauen und ein ausgefallenes Fundstück zu bewundern. Sie waren schon über anderthalb Stunden da und mussten noch in den Videoverleih.
      Der ursprüngliche Teil der Scheune war überfüllt, und Lise hatte Meg aus den Augen verloren, wahrscheinlich in der Krimi-Abteilung. Es war erstaunlich, wie viele Bücher Lise noch vom

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