Abschied von Chautauqua
gewechselt hatte. Marcias Töchter waren inzwischen auf dem College, und Emily verfolgte ihre wissenschaftlichen Erfolge, als wären es ihre eigenen Kinder. Eine von ihnen studierte ein Semester in England, was einen langen, begeisterten Monolog über die Reise nach sich zog, die Emily und Henry Mitte der siebziger Jahre dorthin unternommen hatten, und über die Kathedralen, die sie gesehen hatten. Arlene stellte sich vor, wie Henry über das abgenutzte Kopfsteinpflaster von Oxford stapfte, einen Ort, den sie schon immer hatte sehen wollen, oder wie er die Wendeltreppe eines gotischen Turms hinaufkeuchte, Emily vorneweg, unablässig vor sich hin plappernd. Wenn sie so war, hatte er immer nur mit halbem Ohr zugehört. Dann hatte er an der richtigen Stelle genickt oder ein interessiertes «hm» von sich gegeben, als Zeichen, dass sie weiterreden konnte. Während Arlene so dasaß und Emily zuhörte, kam es ihr vor, als hätte sie Henrys Platz eingenommen.
Die Getränke kamen, und beide bestellten den Barsch, als wäre es ein fester Brauch. Emily brachte einen Toast aus. «Auf das Lenhart. Schöne Tage.»
«Schöne Tage.»
Beim ersten Schluck von ihrem Rob Roy überlief Arlene ein Schauder, der sich, als wäre ein Schalter umgelegt worden, in eine klebrige Wärme verwandelte, die über ihre Knochen rann.
«Wie schmeckt er?», fragte Emily.
«Perfekt. Probier mal.»
«Das ist wirklich ein anständiger Drink. Vielleicht bestelle ich mir auch einen. Ich muss ja nicht fahren.»
Die Drinks stellten den Charme des Lenhart wieder her. Nach der französischen Zwiebelsuppe tranken sie beide noch einen und gelobten, es wäre der letzte. Die Familie mit dem Baby ging, zusammen mit den anderen Frühankömmlingen, und es blieben nur ein paar vereinzelte Paare zurück. So ist es bestimmt, wenn man außerhalb der Saison kommt, dachte Arlene, das ganze Hotel zu unserer Verfügung. Sie stellte sich das Ganze im Winter vor - Eisangeln, da, wo sonst die Fähre verkehrte, ein Pferdeschlitten. Diese furchtbare Brücke. Der Regen auf dem Wasser machte das Hotel zu einem gemütlichen Ort. Als sie ihren Rob Roy hinstellte, war sie fasziniert von dem hereinfallenden Licht, das sich in ihrem Wasserglas fing, das Eis silbern und von feinen Luftadern durchzogen. Sie war betrunken.
«Ich habe dir noch nicht von Margaret erzählt», sagte Emily. Sie blickte über die Schulter, als könnte es jemand hören, als wäre es ein echtes Geständnis, eine Neuigkeit, die sie gerade erst beschlossen hatte, ihr mitzuteilen. «Ich mache mir furchtbare Sorgen um sie. Sie hat dir bestimmt erzählt, dass die Scheidung durch ist.»
«Ja.»
«Meiner Meinung nach war das schon lange zu erwarten. Du hast ja gesehen, wie sie Jeff behandelt hat.»
Arlene wusste nicht genau, ob sie ihr zustimmte, da sie keinen von beiden gut genug kannte, aber sie senkte voll Interesse den Kopf.
«Tja, es hat sich herausgestellt, dass sie auch pleite ist und Alkoholikerin war. Und weißt du was? Mich überrascht das nicht. Ich weiß, was für eine furchtbare Feststellung das ist, aber es stimmt. Im Augenblick würde mich bei ihr nichts überraschen.»
«Das meinst du nicht ernst.»
«Doch. Herrgott nochmal, sie ist dreiundvierzig Jahre alt. Man sollte meinen, dass sie es besser wüsste, schließlich muss sie sich um zwei Kinder kümmern. Das macht mich so wütend.» Emily ballte über ihrer Suppe die Fäuste, als könnte sie jeden Moment über den Tisch springen und Arlene erwürgen.
«Aber sie hat es dir erzählt. Ist das kein gutes Zeichen?»
«Ich bin mir sicher, dass es zum Teil unsere Schuld ist», sagte Emily. «Aber Kenneth hat nie solche Probleme gehabt.»
Hinter Emily näherte sich der Kellner, und Arlene blickte auf um sie darauf aufmerksam zu machen. Der Barsch war zu groß, das Filet bedeckte das Reispilau. Nein, sie hatten noch genug zu trinken.
«Das sieht sehr gut aus», sagte Emily, nachdem sich der Kellner zurückgezogen hatte. Sie spießte ihre Zitrone mit einer dreizackartigen Gabel auf und drückte den Saft auf ihren Fisch, ihr Angriff auf Margaret vergessen.
Der Barsch schmeckte hervorragend, und einen Augenblick schwiegen beide, da das Essen ihre ganze Aufmerksamkeit erforderte. Schließlich räusperte sich Arlene und wappnete sich mit einem süßen Schluck ihres Drinks.
«Ich glaube, Margaret geht's gut», sagte sie. «Es hört sich an, als bräuchte sie die
Weitere Kostenlose Bücher