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Abschied von Chautauqua

Titel: Abschied von Chautauqua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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Kind zu benehmen. Manchmal dachte er, es sei nicht bloß Nostalgie, dass er wirklich glücklicher wäre, wenn er im Alter von neun Jahren stehen geblieben wäre. Oder nein, später, als Jugendlicher, wo er noch an die Texte der Schallplatten geglaubt hatte, die er von seinen Freunden aufnahm, als sie alle noch auf den Rock 'n' Roll-Traum reingefallen waren, dass ihnen, wenn sie nur schnell genug weit genug fuhren, die Freiheit der Straße immer offen stehen würde.
      Meg war sein einziges Vorbild gewesen, und er hatte ihre Missachtung der Konventionen als heldenhaft angesehen. Die Welt war ihm damals riesengroß vorgekommen und sein Zuhause winzig klein, ein Ort, dem man entfliehen musste, ihre Eltern bloß Häftlinge. Während der Collegezeit war er tagelang wach geblieben, hatte Bücher gelesen, die ihm sagten, dass alles möglich sei, dass die Systeme, von denen alle Menschen unterdrückt wurden, nur eine Täuschung seien, die vor der Wahrheit nicht bestehen könne, doch als er älter wurde, hatte sich die Welt verfestigt und war real geworden. Diese Begeisterung vermisste er, diese Freiheit, die so eng mit Verantwortungslosigkeit und Nichtigkeit verbunden war. Die hatte er verraten oder sie ihn, vielleicht war es auch bloß eine Phase gewesen, wie er inzwischen fast glaubte. Er fragte sich, ob der Lauf der Dinge Meg genauso verblüffte wie ihn. Vielleicht war das einfach das Leben. Ihre zerschlagenen Hoffnungen waren kein Unglück, sondern bloß etwas, woran sie sich gewöhnen mussten.
      «Gute Idee», sagte Meg und prostete ihm mit ihrer Eistüte zu, als hätte sie seine Gedanken gelesen.
      Sein Eis tropfte ihm auf die Finger und hinterließ einen Fleck auf seiner Jeans. Die steifen kleinen Servietten waren ungeeignet. Die CD fing wieder von vorn an - «I know I've got a bad reputation» -, und Ken drückte mit dem Daumen auf den Auswurfknopf.
      «Nein», sagte Meg, «das gefällt mir.»
      Also hörten sie sich das Stück nochmal an, auch das nächste und übernächste, und fuhren durch die dunkle, grenzenlose Nacht.
     
     
* 20
     
    Ich brauche ihn sowieso nicht, dachte Sarah. Er hat mich nie geliebt. Er hatte es bloß dieses eine Mal gesagt, damit sie ihr Top auszog und er ihr die nassen Träger ihres Badeanzugs von den Schultern streifen konnte, und dann hatte er ihre Brüste zu fest zusammengedrückt, als wären es Basebälle, sie hatte nach Luft geschnappt, er hatte die Hand zurückgezogen und sich entschuldigt, hatte dagestanden, als könnte sie ihn wegschicken.
      Sie begriff nicht, warum sie seine Hände genommen und wieder auf ihren Körper gelegt hatte. Um zu beweisen, dass sie zäh war, nicht so zart, wie er dachte. Weil sie in diesem Moment Macht über ihn gehabt hatte. Er hätte alles getan, um ihre Brüste berühren zu dürfen, aber nach einer Weile hatte es sie gestört, sie hatte ihn an der Kinnspitze nach oben gezogen, damit er sie küsste. Er war Wachs in ihren Händen gewesen.
      Er hatte nicht gewusst, wie er sie berühren sollte, hatte die Hand unter ihre Jeans gezwängt, wobei sein Uhrarmband ihr Haare ausriss, und dann rumgefummelt, und sie war trotzdem feucht geworden, hatte die Hüften gedreht, um die richtige Stellung zu finden, aber dann hatte er sich herumgerollt und nicht mehr richtig dagelegen. Am liebsten hätte sie ihm gesagt, dass er sich nicht rühren sollte, aber sie hatte sich von ihm erforschen lassen und gedacht, dass sie noch genug Zeit hatte, es ihm beizubringen.
      Er war so romantisch wie ein Deoroller. Er hatte sie angelogen, als er gesagt hatte, er würde ihr schreiben. Sie hatte geschrieben. Er hatte nicht geschrieben, bloß jetzt: Tut mir Leid. Ich hoffe, du bist mir nicht böse. Zwei Seiten voller Ausreden. Er konnte sie mal.
      Sie dachte an Samstag, daran, dass sie ihn nicht sehen würde. Ihre Mutter würde fragen, ob etwas nicht in Ordnung wäre, und dann würde es eine große Szene geben. Sie würden sich streiten, das würde Justin Angst einjagen, und sie würde auf ihr Zimmer gehen und die Tür schließen. Sie würde weinen und toben und mit der Faust aufs Kissen schlagen, als wäre es Marks Gesicht, aber es würde nichts ändern. Er wollte sie nicht. Er hatte eine Bessere gefunden, die so tun würde, als wäre er der erotischste Typ auf der ganzen Welt. Das hatte er von Anfang an geplant. Er hatte den Sommer dazu genutzt, mit ihr Schluss zu machen, und die Tage und Wochen der Trennung waren auf diese Nachricht zugesteuert. Letztes Jahr

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