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Abschied von Chautauqua

Titel: Abschied von Chautauqua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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Standpunkt vertrat er, weil er wollte, dass alles gelaufen war. So viel Geld war einfach nicht da.
      «Wer soll denn die Steuern aufbringen? Weißt du, wie hoch sie sind?»
      «Dreitausend im Jahr», schätzte sie. «Ungefähr in dieser Größenordnung.»
      «Hast du etwa dreitausend Dollar?»
      «Sie hat dreitausend Dollar. Sie braucht das Geld nicht, sie will sich bloß den Stress ersparen. Wetten, dass sie das Haus behalten würde, wenn du ihr anbieten würdest, dich drum zu kümmern?»
      «Ich will mich nicht um das Haus kümmern», gestand er.
      «Ich kümmere mich drum.»
      «Klar. Das sag ich ihr.»
      Sobald ihm der Satz entschlüpft war, wusste er, dass es ein Fehler war, ein Witz, der nicht komisch war. Aber er konnte ihn nicht zurücknehmen, konnte es nicht darauf schieben, dass er bekifft war, obwohl er es mit klarem Kopf nie gesagt hätte.
      «Du kannst mich mal», sagte sie und verstummte.
      Sie saß da wie eine Statue im Dunkeln, während sie am Willow Run vorbeibrausten, den Hügel am Campingplatz erklommen und an den heruntergelassenen Rollläden der Book Barn vorbeikamen.
      «Lovers cry», sang Freedy. «One last kiss by the edge, then hand in hand, two lovers fly.»
      Er glaubte, dass es ihnen deshalb so schwer fiel, über Geld zu sprechen, weil es verriet, wie sie wirklich übereinander dachten.
      Vielleicht verhielt es sich mit dem Sommerhaus genauso, vielleicht lag seiner Bereitschaft, es wegzugeben, der unrealistische Wunsch zugrunde, sich von all den Schwierigkeiten zu befreien, die er mit seiner Familie verband, den wirklichen und eingebildeten Befürchtungen, die er hatte, wenn er an seine Mutter, seinen Vater oder Meg und seine eigene wenig hilfreiche Rolle in ihrem Leben dachte.
      «Tut mir Leid», sagte er.
      «Nicht nötig. Stimmt schon. Deshalb musst du es ihr sagen. Ich zähle nicht.»
      Er wollte ihr widersprechen, besann sich aber eines Besseren.
      «Ich dachte, dir gefällt das Sommerhaus», sagte sie.
      «Stimmt.» Er suchte nach einer Begründung, die ihn nicht verraten würde, und nahm ihr dann übel, dass sie ihn in die Enge trieb. «Es liegt bloß am Geld.»
      «Sie hat das Geld», wiederholte Meg, als würde er nicht begreifen. «Meinst du, sie will das Haus verkaufen? Sie glaubt nur, dass sie sich ohne Dad nicht mehr drum kümmern kann. Wir müssen bloß sagen, dass wir das übernehmen, wir beide. Das ist alles, was sie will. Ich sag's dir. Was soll sie denn mit dem Geld anfangen? Sie kann's doch nicht mit ins Grab nehmen.»
      «Ich weiß nicht», sagte er bedächtig, als würde er über das Ganze nachgrübeln.
      Er wollte nicht an das Geld seiner Eltern denken, wie viel auch da sein mochte (die Versicherung seines Vaters, dazu noch die Wertpapiere und Investmentfonds, die gemeinsamen Konten und die beiden Häuser).
      Noch in seiner größten Verzweiflung wehrte er den Gedanken ab, dass ihn allein das retten konnte, ihr Tod ein unverhoffter Glücksfall, der nicht mehr fern war. Nein, das Geld gehörte seinen Eltern (inzwischen ihr), so persönlich und geheim wie ihr Liebesleben, und so blieb es am besten auch.
      «Rede mit ihr», sagte Meg. «Guck, wie sie sich fühlt. Worüber wollt ihr sonst noch vier Stunden lang reden?»
      «Über dich.»
      «Das hab ich mir gedacht.»
      «Sie hat mich immer noch nicht über den Job ausgequetscht.»
      «Und ich werde es verpassen.»
      «Ich erzähl dir die Höhepunkte.»
      Er war froh, dass er über sich selbst witzeln und sich gemeinsam mit Meg über seine Mutter und ihre Erwartungen lustig machen konnte, die sie nie erfüllen würden. Wenn er den Idioten, den dummen kleinen Bruder spielte, konnte er Meg noch immer zum Lachen bringen.
      «Kann ich hier drin rauchen?»
      «Klar», sagte er und sah Lises Einwände vorher, «mach nur das Fenster auf.»
      Er ließ auch sein Fenster herunter.
      Weit weg, am Fuß des Hügels, wurden die Auffahrten des Southern Tier von Dutzenden hoher Laternen in helles Licht getaucht wie der Schauplatz eines Verbrechens. Hogan's Hut war schon geschlossen, nur die Mobil-Zapfsäulen erleuchtet, und Ken fiel ein, dass er am nächsten Tag tanken musste, und plötzlich dachte er an Tracy Ann Caler, die irgendwo dort draußen war, vermutlich tot. Er konnte ihr seine Bilder widmen, damit an ihr Leben erinnern, an das Haus, in dem sie aufgewachsen war, ihre Familie, ihr Zimmer - richtig Bill-Owens-mäßig, das Geheimnis

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