Abschied von Chautauqua
Pickup mit einem Boot im Schlepptau. Erst als er weiter vorn die Kreuzung überquerte, sah sie, dass es ein kleiner Kipper war, der einen Anhänger mit Rasenmähern zog. Auf der Pritsche, die auf dem Führerhaus lehnte, saßen zwei Jungs mit Baseballkappen und T-Shirts, und ohne ihre Gesichter zu sehen, wusste Sarah, dass einer von beiden er war.
Sie hatten sie nicht gesehen, und sie blieb kurz stehen und überlegte, ob sie umkehren und ihnen rasch den Weg abschneiden oder so tun sollte, als hätte sie sie auch nicht gesehen. Rufus blickte auf und schaute dann wieder auf den Boden.
«Du bist eine große Hilfe», sagte sie.
Sie dachte daran, wie verzweifelt sie wegen Mark gewesen war, ging dann, über die Schulter blickend, langsam weiter, und als der Pickup hinter ihr den Manor Drive überquerte, blieb sie nicht nochmal stehen. Sie würde nicht hinterherlaufen und mit den Armen wedeln. Sie kannte nicht mal seinen Namen. Sie wusste nicht mal, ob er es war.
Falls er bei ihnen den Rasen mähte, wollte sie es nicht verpassen. Es blieben nur noch zwei Tage - eigentlich nur einer, da dieser schon angefangen hatte.
Sie kickte einen weißen Stein aus der Einfahrt des Hauses und beobachtete, wie er über den Asphalt glitt und hüpfte, änderte die Richtung, trat wieder danach, dann nochmal, bis er ins Unkraut schlitterte, und inzwischen war sie schon fast an der Straße, ihr Kopf angefüllt mit Möglichkeiten.
In der Sonne musste sie blinzeln, bei den flachen Teichen gab es keinen Schatten. Die krummen Teerstreifen, mit denen die Straße ausgebessert worden war, waren weich und stanken, berauschend wie Leuchtstifte. Es kam kein Auto, also ging sie mit Rufus mitten auf der Fahrbahn an der Fischbrutanstalt vorbei. Vor der Tür des Gebäudes stand wieder dasselbe Dienstfahrzeug, von drinnen ertönte dasselbe Brummen der Pumpe. Als sie die Straße verließen und den Weg am Entwässerungsgraben hinaufstiegen, machte sie Rufus von der Leine los.
Die nächstgelegene Reihe von Teichen war trocken, also ging Sarah in Richtung Mitte, wo sie wusste, dass die Teiche mit Fischen besetzt waren, und entdeckte einen, dessen dunkles Wasser von Ringen wimmelte, die sich langsam darauf ausbreiteten, als würde es regnen - die Fische fraßen und berührten dabei die Wasseroberfläche. Sie setzte sich mit dem Gesicht zur Straße ins Gras. Rufus lag gelangweilt neben ihr, den Kopf auf den Pfoten. Hier oben konnte sie jeder sehen, aber das war ihr egal. Durch das glänzende Flimmern, das über den Feldern lag, sah sie, wie die Autos auf dem Highway das Tempo drosselten, bevor sie abbogen, und konnte die an der Fischbrutanstalt vorbeiführende Straße zum Jachthafen weit überblicken. Die Chance, dass er so schnell zurückkam, war gering, aber sie sah immer wieder nach und tat so, als interessierten sie die gleichmäßigen Reihen der Kiefern auf der anderen Straßenseite, die sich im grellen Licht scharf abzeichneten und deren Wipfel sich im Teich weicher spiegelten. Vom trüben Grund des Teiches stieg eine Kette perlenartiger Blasen zur Wasseroberfläche auf - ein Lebenszeichen dann nichts mehr, alles vorbei.
Ihre Mutter würde sie fragen, was Mark in dem Brief geschrieben hatte, vielleicht ernst gemeint, unter vier Augen, oder als Scherz im Beisein der anderen, und dann musste sie etwas sagen. Sie hatte den Brief in ihrem Flötenetui versteckt, unter dem blauen Baumwollsamt, und bei dem Gedanken daran hätte sie ihn am liebsten ins Bad mitgenommen und nochmal gelesen, ihn in Fetzen gerissen und die dann die Toilette runtergespült. Aber das würde sie nicht tun. Sie würde ihn mit nach Hause nehmen und zusammen mit den anderen - die sie jetzt nochmal lesen wollte, zu ihrer Qual und als Bestätigung, dass es Liebe gewesen war umschlungen mit einem Gummiring in dem Schuhkarton auf dem Boden ihres Wandschranks aufbewahren.
Sie saß da, die Hitze wie eine Last auf ihrem Kopf, und das eintönige Stampfen der Pumpen drang leise und wie aus weiter Ferne über die leeren Teiche. Sie hatte kaum geschlafen, würde vermutlich auch heute Nacht nicht schlafen. Sie musste was essen. Das Gras juckte, und sie kratzte an ihren Schienbeinen, ritzte mit dem Fingernagel ein schmerzhaftes Kreuz auf einen Moskitostich. Rufus wurde von einer Mückenwolke umschwirrt und rieb sich mit den Pfoten übers Gesicht. Zwei Fische kamen herübergeschwommen, zwei Messer im braunen Wasser, beachteten sie aber nicht und verschwanden dann
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