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Abschied von Chautauqua

Titel: Abschied von Chautauqua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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ihm nicht, die Kugel liegen zu lassen - es war seine, und er fand, sie sollten es jemandem sagen -, aber Sam fuchtelte schon mit dem Schläger herum wie mit einem Lichtschwert.
      Sie konnten den Wiffleball nirgends finden. Sie suchten auf der Veranda und in der Garage, Sam lief sogar hinters Haus. Er lag nicht unter der Veranda. Manchmal fraß Rufus die Bälle auf, oder der Wind wehte sie in den See, und sie schwammen weg. Vielleicht waren die Rasenmäher drübergefahren.
      Sam hob eine Kastanie auf, versuchte sie zu treffen und schlug vorbei. Er warf noch eine hoch, und sie klatschte gegen den Plastikschläger und zischte durch den Garten.
      «Boah!», sagte Justin.
      Die beiden sammelten so viele Kastanien, bis ihre Taschen voll waren, und achteten darauf, dass die Home Plate zum See zeigte, damit sie keins von den Autos demolierten. Justin warf als Erster. Er war nicht besonders gut, aber die Kastanien waren so klein, dass sie nur schwer zu treffen waren, und Sam war schon zweimal aus, bevor er eine wenigstens streifte. Die nächsten drei Würfe landeten vor ihm im Gras.
      «Wirf fester», kommandierte Sam.
      Justin tat sein Bestes und warf die größte Kastanie, die er hatte, mitten auf die Home Plate. Sam holte richtig aus, traf voll, und die Kastanie flog direkt auf Justins Gesicht zu. Justin hob die Hände, überzeugt, dass er sie fangen würde, aber irgendwie bewegten oder schlossen sich seine Hände zu früh - als hätte die Kastanie die Richtung geändert oder in der Luft durch einen Trick das Tempo gedrosselt -, und er konnte sehen, dass sie durchgeflutscht war und immer noch auf ihn zukam. Bevor sie ihn traf, blieb ihm nur der Bruchteil einer Sekunde, um sich an das Gefühl zu erinnern, das er gehabt hatte, als er die Krocketkugel unter der Veranda liegen gelassen hatte, und er dachte: Ich hätte sie rausholen sollen.
     
     
* 5
     
    «Mehr nach rechts», rief seine Mutter, wedelte mit dem Arm hinter dem Ball her, der weiter mit einem Linksdrall auf den Wald zuflog und dann blätterzerfetzend zwischen den Bäumen verschwand.
      Sie horchten beide auf einen Knall, der anzeigen würde, dass der Ball gegen einen Ast oder einen Baumstamm geprallt war und vielleicht wieder zurückgeflogen kam, doch außer den Schatten auf dem Gras war da nichts.
      «Oh, Mist.»
      «Der liegt nicht besonders weit drin», sagte er und legte seinen Ball zum Abschlag zurecht.
      Er hatte seit zwei Jahren nicht mehr gespielt, und auch da nur das eine Mal mit seinen Eltern, die letzte Runde seines Vaters mit ihm, auch wenn keiner von ihnen das damals geahnt hatte. Während seine Eltern leidenschaftliche Golfspieler waren und ihn immer ermutigten, war sein Schwung bloß das Ergebnis von dreißig Jahren Softball, und seine kurzen Schläge gingen genau genommen aufs Putt-Putt zurück. Irgendwann würde er heute einen in den Himmel steigenden, traumhaft langen Drive hinlegen oder seinen Ball aus zehn Metern Entfernung versenken, und dann würde seine Mutter sagen: «Stell dir vor, wie gut du erst wärst, wenn du regelmäßig spielen würdest», doch er wusste, dass er keine verborgenen Fähigkeiten besaß, dass die wenigen Augenblicke, in denen er sich über seine eigene Mittelmäßigkeit erhob, einfach Dusel waren, Geschenke, für die man dankbar sein musste, auf die man sich aber nicht verlassen konnte.
      Er vermasselte seinen Abschlag - weil er zu viel nachdachte -, der Ball hoppelte über den Weg für die Golfwagen, ein jämmerlicher Grounder, der gerade noch aus dem Rough herausrollte und am Rand des Fairways liegen blieb.
      «Der liegt nicht schlecht», sagte seine Mutter.
      Sie setzte sich auf den Beifahrersitz, während Ken den Schaft seines Holzschlägers in die Tasche seines Vaters steckte. Egal, wo ihre Bälle lagen, er fuhr genau wie sein Vater mit dem Wagen, die Zählkarte ans Lenkrad geheftet, die Holga im Tassenhalter. Sie spielten auf das fünfte Loch, ein kurzes Par vier, dreihundertdreißig Meter, mit einem Knick nach links, und bis jetzt hatte sie noch nicht von seinem Job angefangen. Er war nicht so dumm zu glauben, dass sie sich so eine Gelegenheit entgehen lassen würde. Seine Strategie bestand darin, ihre Fragen offen zu beantworten und das Gespräch dann auf ihre Pläne zu lenken, in der Hoffnung, dass sie genauso aufrichtig sein würde wie er. Das einzig Schwierige war, Meg zu verteidigen, dachte er, ihre Sache taktvoll (eine Stärke) und energisch (seine große Schwäche)

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