Abschied von Chautauqua
vorzutragen. Er war darauf vorbereitet, im Falle eines Streites den Kürzeren zu ziehen und nachzugeben, zufrieden, dass er sein Bestes getan und die Sache angesprochen hatte, und Meg, deren Idee das Ganze gewesen war, die Hauptarbeit zu überlassen. Dasselbe Spielchen hatten sie schon als Kinder gespielt, nichts hatte sich geändert. Er versuchte immer noch, zwischen ihnen Frieden zu stiften, und er fragte sich, wie viel von seiner Persönlichkeit - wie viel von seinem Leben - durch seine Stellung innerhalb der Familie und durch die Rolle bestimmt worden war, für die er sich, wenn auch widerwillig, entschieden hatte. Er fand es ungerecht, denn er war der Jüngere, doch hier tat er es schon wieder, der treue Bote, der seinen Kopf riskierte.
«Da liegt deiner», sagte seine Mutter, und er fuhr den Wagen neben seinen Ball. An dieser Stelle ging es leicht bergauf. Ken nahm ein Dreier-Holz, einen der wenigen Schläger, mit denen er halbwegs beständig schlagen konnte.
Er hielt inne, bevor er den Ball spielte, blickte das Fairway entlang und betrachtete die Bäume, um ein Gefühl für die Windstärke zu bekommen. Sein Vater hatte ihm beigebracht, sich auf jeden Schlag zu konzentrieren, sich nicht von seinen Gefühlen beherrschen zu lassen. «Alle sind genauso viel wert», hatte er gern gesagt oder: «Man muss denken, bevor man schlägt.» Als Kind hatte sich Ken angesichts dieser Ratschläge hilflos gefühlt, überzeugt, dass sie auf seinen linkischen, weit ausholenden Schwung nicht zutrafen. Er konnte denken, was er wollte, und trotzdem zischte der Ball unkontrolliert davon oder hatte so viel Drall, dass er ins Gebüsch flog. Wütend war er immer mit seiner Golftasche hinterhergerannt, hatte das Gestrüpp weggeschlagen und, nachdem er den Ball gefunden hatte, die Schläger scheppernd hingeworfen, zur Beruhigung die Zähne zusammengebissen, damit er wieder denken konnte, und zwangsläufig Kopfschmerzen bekommen, woran er der Sonne die Schuld gab. Sein Vater hatte kein Aufhebens um seine eigenen Schläge gemacht und war aufreizend gelassen gewesen, trocken und unbekümmert, als würden sie sich gut amüsieren. «Dass du dich für einen sicheren Schlag entschieden hast, hat mir gefallen», hatte er dann gesagt oder: «Das war ein intelligenter Schlag.»
Mit einem Dreier-Holz konnte man hier keinen intelligenten Schlag machen. Da würde der Ball zu weit fliegen. Wenn Ken den Ball zu weit oben anspielte, würde er über den Knick hinausschießen und im Wald landen, wenn er beim Schlagen das Gras streifte, im Rough. Als Ausgleich für seinen Drive wollte er einen kräftigen Schlag machen, eine Taktik, über die sein Vater den Kopf geschüttelt hätte - jugendliche Grobschlächtigkeit. Am intelligentesten war es vielleicht, ein Fünfer-Eisen zu nehmen, den Ball rechts zu halten und einen Annäherungsschlag zu spielen, aber mit seinem Fünfer-Eisen war er unsicher und mit seinem Vierer eine Katastrophe.
Er ging zum Wagen zurück, zog ein Fünfer-Eisen hervor und kratzte mit dem Daumennagel an dem gerillten Schlägerkopf, als sollte ihm das Glück bringen.
«Aha», sagte seine Mutter theatralisch.
«Naja», sagte er, «wir werden sehen.»
Die genaue, wenn auch unbewusste Nachahmung seines Vaters schockierte ihn, und er vermutete, dass dessen Geist in der Nähe war. Hier, wo sie zusammen gewesen waren, ergab es einen Sinn. Der Lieblingsschläger seines Vaters war sein Fünfer, den Ken gerade in der Hand hielt, Wenn er mich leiten will, dachte Ken, ist das jetzt der richtige Augenblick.
Er machte einen Probeschwung und rasierte mit dem Schläger das Gras, stellte die Füße dann einen halben Schritt näher, überprüfte, wo sein Ball auf dem Fairway landen sollte, richtete die Schultern aus (vordere Schulter hochgezogen, Kopf unten, durchschwingen - all die Bewegungen, die ihm sein Vater hinterm Haus beigebracht hatte, wo er, eine Hand am Schläger, alles in Zeitlupe mit ihm durchgegangen war), holte dann aus und schlug den Ball ab.
Er spürte ihn kaum, hatte - ein kleiner Triumph - den Kopf unten gelassen und riss ihn nicht hoch, um sich den Schlag anzusehen.
Vom Wagen her hörte er ein vertrautes Klicken. Seine Mutter hielt die Holga auf ihn gerichtet, hatte sich aber umgedreht, um zu sehen, wo der Ball hinflog.
«Sieht gut aus», sagte sie.
Jetzt konnte er ihn erkennen, ein noch immer steigender schwarzer Punkt im weißen Himmel, rechts von der Flagge, aber nicht in
Weitere Kostenlose Bücher