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Abschied von Chautauqua

Titel: Abschied von Chautauqua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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sitzen, immer noch in Bewegung zu sein. Sie wünschte, sie hätte das Stück Kuchen nicht gegessen. In zehn Minuten kamen Nachrichten, aber das war ihr ziemlich egal. Sie hatte Urlaub. Sollte sich die Welt doch ohne sie weiterdrehen.
      «Ich stell Rufus noch Wasser hin, bevor ich mich in die Falle haue», verkündete Arlene, nahm eine Zigarette und ihr Feuerzeug vom Kaminsims. Es machte ihr nichts aus, draußen zu rauchen, hin und wieder verschwand sie einfach. «Es sei denn, einer von euch will das übernehmen.»
      «Ist schon gut», sagte Ken.
      «Komm, du Faulpelz», rief Arlene, und Rufus erhob sich träge, zuerst die vordere Hälfte und dann, mühsam und steifbeinig, sein Hinterteil. Sie hielt ihm die Tür und die Fliegentür auf und schloss sie behutsam hinter sich. Lise beobachtete, wie Arlene auf dem dunklen Rasen aus Angst, über die Krockettore zu stolpern, die Hände seitlich ausstreckte. Das Verandalicht reichte nicht besonders weit. Die Nacht verschluckte alles bis auf ihre Knöchel und Tennisschuhe, dann war nur noch die Glut ihrer Zigarette zu sehen, die sich in Richtung Steg bewegte.
      Lise wandte sich wieder dem hell erleuchteten Zimmer zu. Zum ersten Mal an diesem Tag waren sie und Ken völlig allein, aber er las Zeitung und schien es nicht zu bemerken. Im Schoß seiner Familie nahm er Urlaub von ihr. Vielleicht tat ihnen diese Abwechslung gut.
      «Ich glaube, ich geh nach oben», sagte sie und klappte ihr Buch zu. In diesem Augenblick verspürte sie den lächerlichen Wunsch, dass er sie zurückhielt, ihre Hand nahm und sie aufs Sofa zog. Er las gerade die Leserseite, Briefe an den Herausgeber. Sie drehte sich um und ging zur Treppe.
      «Sobald sie da sind, komme ich nach. Sind für Sarah und Justin Kissen da?»
      «Ja.»
      «Danke, dass du die Betten gemacht hast.»
      «Du und Sam, ihr habt doch auch unsere gemacht», sagte sie mit der Hand auf dem Türgriff, denn es sah ihm ähnlich, dass er sie so übertrieben lobte, als bräuchte sie Ermutigung. Sie wollte ihn ermahnen, nicht zu lange aufzubleiben, befürchtete jedoch, er könnte sie missverstehen. Deshalb fragte sie bloß, was für den nächsten Tag geplant war.
      «Die Kinder wollen wahrscheinlich mit dem Boot rausfahren. Willst du was Besonderes unternehmen?»
      «Ich hab an den Flohmarkt gedacht. Nächstes Wochenende geht das nicht mehr.»
      «Gute Idee.»
      «Solange du deine Kamera nicht mitnimmst.» Sie sah, dass er ihre Worte ernst nahm. «War bloß Spaß. Ist mir egal, ob du sie mitnimmst.»
      «Das hatte ich nicht vor.»
      «Wenn du willst, kannst du sie mitnehmen. Du solltest nicht auf mich hören.»
      Er schenkte ihr keine Beachtung, sondern beschäftigte sich mit der Planung der Bootsfahrt und überlegte, wie viele Schwimmwesten sie hatten; es machte sie wahnsinnig, dass er ihre Entschuldigungen nie zur Kenntnis nahm. Und sie wollte, dass er romantisch war? Vermutlich hatte er keinen Gedanken daran verschwendet, da Arlene auf dem Steg saß und sie mit den Kindern im selben Zimmer schliefen, aber es gab einen See, den Mond, den Rasen. Früher hatten sie auf dem Tennisplatz miteinander geschlafen, ihr Rücken auf dem warmen Asphalt, doch das war schon Vor Jahren gewesen, noch vor Sams Geburt. Sie wusste nicht mehr, wann sie es zum letzten Mal im Freien getan hatten.
      Es spielte keine Rolle. Sie hatte ja ihr Buch.
      «Dann kommen wir nach dem Flohmarkt wieder her, essen und fahren dann mit dem Boot raus. Ich finde, für den ersten Tag reicht das.»
      «Deine Mom hat fürs Abendessen im Lighthouse Hähnchen bestellt.»
      «Wer die Hähnchen abholt, sollte noch eine Tüte Milch mitbringen.»
      «Sie hat schon eine Liste an den Kühlschrank gehängt.» Es war ein Insiderwitz, wie strikt Emily auf Listen vertraute, und damit ein guter Schlusspunkt, der das Band zwischen ihnen wieder zusammenknüpfte. Ganz oft empfand sie die Ehe als Mühsal, doch dann stellte sich unerwartet wieder diese unbeschwerte Vertrautheit ein, die Vertrautheit von Dingen, über die sie sich längst verständigt hatten.
      «Hoffentlich ist ihnen nichts passiert», sagte Ken.
      «Bestimmt nicht. Wahrscheinlich kommt sie nur mal wieder zu spät.»
      «Wahrscheinlich.» Er wirkte nachdenklich. Die Zeitung war immer noch aufgeschlagen, und Lise sah, dass er sich wieder seiner Lektüre zuwenden wollte.
      «Ich lese noch ein bisschen.» Sie wedelte mit ihrem Buch.
      «Okay», sagte er und ließ

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