Abschied von Chautauqua
zieh mich nicht an, ich tue nichts, ich liege einfach nur da.» Und im nächsten Moment war sie ganz aufgeregt gewesen wegen ihrer Beförderung und diesem neuen Projekt auf der Arbeit, als würde es alles Übrige gar nicht geben, bis sie ihm eines Tages gestanden hatte, sie sei schon vor Monaten gefeuert worden, habe es ihm aber nicht sagen wollen, weil sie gewusst habe, dass er es ihrer Mutter erzählen würde.
Sie war völlig von der Rolle.
Er drehte die Hamburger um, drückte bei einem den Pfannenwender ins Fleisch, aber es war noch roh. Die Kohlen waren heiß genug, er musste bloß Geduld haben. Als er ins Haus ging, um den Teller abzuspülen, war die Küche leer, der Tisch gedeckt. Er ging mit dem Käse wieder nach draußen. Er wollte sich das Fleisch nochmal ansehen, doch er wartete damit.
Langsam wurde es dunkel, die Bäume waren in Schatten gehüllt, und Fledermäuse flatterten durch die Luft wie Schwalben. Auf der Veranda brach jemand in Gelächter aus - Lise dann sagte seine Mutter etwas, dann Arlene, es gab noch mehr Gelächter, und diesmal stimmten auch die Kinder mit ein. Er konnte sich nicht vorstellen, worüber seine sonderbare Familie lachte. Den Pfannenwender in der Hand stand er unter der Kastanie und wartete, genau wie sein Vater.
* 3
«Ich glaub's nicht», sagte ihre Mutter und durchwühlte die Servietten in der Tüte.
«Was für Idioten.»
Ihre Mutter schlug das Lenkrad ein, wendete halb auf der Gegenfahrbahn und halb auf dem Seitenstreifen und fuhr zurück zu den Lichtern des Taco Bell. Justins Milch fiel aus dem Tassenhalter zu Boden, aber sie war noch nicht offen.
«Ist schon okay», sagte Sarah, denn es war ihre mexikanische Pizza, die sie vergessen hatten.
«Nein, das ist nicht okay», widersprach ihre Mutter, als hätte Sarah irgendwas falsch gemacht. «Du brauchst was zu essen. Wir haben die Pizza bezahlt, und wir kriegen sie auch, so läuft das, ganz egal, was die sich gedacht haben.»
Während sie in der Schlange vor dem Autoschalter warteten, entschuldigte sich ihre Mutter nicht, und als sie wieder zur Bestellannahme kamen, sagte sie zu dem Typen mit der Schirmmütze: «Meine Tochter hatte eine mexikanische Pizza bestellt», als wäre es ein Verbrechen, und Sarah konnte bloß den Blick abwenden und sich in der Dunkelheit des Wagens verbergen. Justin, der neben ihr saß, hatte seine Gorditas fast aufgegessen. An seinem Hemd klebten Salatfetzen und auf Tiggers Pfote ein Klecks saure Sahne. Sie wischte ihn mit dem Finger ab und griff zwischen den Sitzen hindurch nach einer Serviette.
«Hoffentlich passiert Ihnen das nicht öfter», sagte ihre Mutter. «Das ist nicht gut fürs Geschäft.»
Mom, hätte sie am liebsten gesagt, das ist Taco Bell, wen kümmert das schon? Es war wie bei Mark, wenn er wegen irgendeiner Kleinigkeit stinksauer wurde.
«Tut mir Leid, Ma'am », sagte der Typ, aber ihre Mutter hatte die Innenbeleuchtung eingeschaltet, um die neue Tüte zu inspizieren, um sicherzugehen, dass tatsächlich eine mexikanische Pizza drin war. Sie knipste das Licht aus, reichte Sarah die Tüte und fuhr dann los. Sarah stellte die warme Schachtel ungeöffnet auf ihren Schoß. Sie hatte keine Lust, die Pizza zu essen, sie wollte bloß weg.
Es hatte nichts mit prämenstruellem Syndrom zu tun, manchmal benahm sich ihre Mutter halt so, und das machte Sarah Angst, denn sie wusste nicht, wann dieser Wahnsinn bei ihr auftreten würde. Wenn es so weit war, konnte man nichts mehr tun, nicht mal ihr Vater, und sie ganz bestimmt nicht. Und fünf Minuten später umarmte sie einen, küsste einen auf die Stirn und sagte, es täte ihr Leid, die letzten Monate wären für sie alle ziemlich hart gewesen, als hätten sie alle rumgeschrien und geflucht, weil jemand ein Handtuch auf dem Boden liegen gelassen hatte.
Auf dem Highway, wo ringsum wieder Dunkelheit herrschte, fragte ihre Mutter, wie die Pizza schmeckte.
«Geht so», sagte Sarah.
«Was? », fragte ihre Mutter. «Ich hör dich nicht. Du musst lauter sprechen.»
«Ich hab gesagt, es geht.»
«Nach dem ganzen Theater sollte sie besser phantastisch schmecken, was?»
Wenn so was vorkam, versuchte sie es hinterher immer ins Lächerliche zu ziehen.
Sarah aß ein paar Bissen, klappte den Deckel zu und stellte die Schachtel dann zu dem übrigen Müll auf den Boden. Inzwischen sah der Bus meistens so aus. Vor einer Reise war ihr Vater immer mit zwei
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