Abschied von Chautauqua
hören. Sie würde hören, wenn Megs Bus hielt, der Motor abgestellt wurde und die Handbremse krächzte.
Das Kissen roch schimmelig, und sie wünschte, sie hätten ihre eigenen mitgebracht. Das Bett auf der anderen Seite war leer. Mit Meg ist alles in Ordnung, dachte sie, stellte sich aber die ganze Zeit vor, wie die Streifenwagen mit ihren rot-blauen Lichtern den Highway absperrten, ein rubinroter Lichtschein über den Unfallort geworfen wurde und die Glasscherben unter den Stiefeln der Feuerwehrleute knirschten.
Der Tod von Kens Vater war nicht überraschend gekommen, doch danach hatte sich Ken weiter von ihnen abgesondert und noch mehr in seine Arbeit vertieft. Megs Tod wäre etwas anderes, eine Gelegenheit für Lise zu vermitteln. Sie würde ihn trösten, ihn wieder in die Welt zurückbringen. Oder er würde sich noch weiter entfernen und sich seiner Enttäuschung überlassen. Mit so einer Traurigkeit, so einem Mann konnte sie nicht leben. Es kostete schon genug Energie, seine Verschlossenheit zu überbrücken. Sie spürte, wie das an ihren Lebensgeistern zehrte, wie Wasser, das sich in einen Felsen grub.
Auf dem Weg aus der Stadt waren sie an einem Autofriedhof vorbeigekommen, die Wagen nebeneinander aufgereiht. Ken hatte ihn zuerst entdeckt (für ihn war das wie eine Spielwiese, all diese reglosen Gegenstände, und sie hätte ihm fast vorgeschlagen anzuhalten). Es hatte sie erstaunt, wie stark einige der Wagen beschädigt waren. Diesen Zusammenstoß hier oder den da drüben, wo das Dach abgerissen war, hatte bestimmt niemand überlebt. Lise war überrascht, eine ganze Reihe von Kleinbussen zu sehen - zerknautschte Türen, fensterlos, platt gedrückte Schnauze -, die vom Unglück irgendeiner Familie zeugten.
«Eigentlich», hatte Ken gesagt, «bin ich überrascht, dass es nicht noch mehr sind.»
Inzwischen erwartete sie von ihm diese mürrischen, herzlosen Äußerungen geradezu. Logisch, nichtssagend, im Kern eine erbarmungslose Wahrheit, mit der er sich anscheinend abgefunden hatte. Nein, dachte sie, das Traurige ist, wie schnell ich ihm beipflichte.
* 5
Arlene strich mit der Hand über die Bank und stellte fest, dass sie trocken war. Die Luft war kühl und feucht und hatte sie getäuscht. Wie hell es in der Dunkelheit war. Der Mond ließ Licht herein wie ein Auge, das auf einer Seite nur eine gespenstische Silhouette war. Die Sterne blinkten, und je länger sie hinaufschaute, desto größer wurde ihr Blickfeld, aber ihr tat der Nacken weh. Sie stieß den Rauch aus, tastete mit dem Fuß nach Rufus, zog an der Zigarette und schnippte sie hinter sich ins Wasser.
In solchen Nächten waren sie und Henry mit dem Kanu rausgefahren und hatten lautlos die Paddel eingetaucht, Krieger, die sich an den Feind heranpirschten. Wenn sie so weit vom Ufer entfernt waren, dass das Licht im Sommerhaus nur noch ein kleiner Punkt war, hatten sie innegehalten und sich treiben lassen, das einzige Geräusch ihr Atem, die Paddel triefnass, überall Fische, die an die Wasseroberfläche kamen. Henry hatte die Pall Mails hervorgeholt, die er aus Onkel Perrys Jacke stibitzt hatte, und sie hatten sich, das Küchenstreichholz gegen das Ufer abschirmend, eine Zigarette angezündet, das glühende Ende unterhalb des Bootsrands in der Hand gehalten, den Rauch eingesogen und so gemächlich ausgeatmet, wie es die Leute in Filmen taten. Jeder eine, und selbst das war riskant gewesen. Die Zigarettenstummel hatten gezischt, als sie sie über Bord warfen. Sofern sie den richtigen Zeitpunkt gewählt hatten, saßen sie in absoluter Dunkelheit da, wenn es am Uhrturm des Instituts zwölf schlug, und das feierliche Läuten, klar und deutlich wie der Mond, schien viel zu lange zu dauern, verhallte in den Hügeln, dann lag der See wieder still da.
Nachdem sie eine Weile geschwiegen hatten, sagte Henry: «Das war schön.»
«Es war toll.»
Ihre Stimmen klangen im Dunkeln ganz leise, und alles erschien ihnen bedeutender. Sie sprachen über den Krieg und zu welcher Truppengattung Henry sich melden würde und dass sie Krankenschwester werden und ihm in den Südpazifik folgen würde. Sie sprachen darüber, was sie jetzt, wo der Krieg vorbei war, tun wollten, auf welches College sie gehen und welchen Beruf sie ergreifen wollten. Sie sprachen über Emily und darüber, ob Henry heiraten sollte, bevor er sein Examen gemacht hatte. Doch jedes Mal war das Kanu da, der Mond und der Mitternacht schlagende
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