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Abschied von Chautauqua

Titel: Abschied von Chautauqua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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Vitamin I, und sie erinnerte sich, wie sie die Schule geschwänzt und im Frick Park getrunken hatte, wie sie auf den Kieswegen tief in den Wald gegangen war, sich an einen Abhang gesetzt und die geschäftigen Stahlfabriken und den grauen Monongahela betrachtet hatte. Sie war immer mit James, Gina, Sully, Ray und Teddy zusammen gewesen, die Newports rauchten. Ob Frühling oder Herbst, das hatte keine Rolle gespielt; die Tage waren vielversprechend gewesen, ein Abenteuer. Mittags waren sie ins Open Pantry gegangen und hatten sich dicke, in Plastikfolie verpackte Jumbo-Sand-wiches und kalte Limonade gekauft, Zigaretten und ein neues Feuerzeug. Im Laufe des Nachmittags hatten sie dann etwas langsamer gemacht, da sie gewusst hatten, dass sie nach Hause mussten.
      «Wie war's in der Schule?», hatte ihre Mutter immer beim Abendessen gefragt.
      «Langweilig», hatte sie dann geantwortet und war in ihr Zimmer raufgegangen, um Musik zu hören.
      Sie hatte nicht das Gefühl, dass das schon fünfundzwanzig Jahre her war. Nichts schien schon fünfundzwanzig Jahre her zu sein, und doch stimmte es, und einen Augenblick sah sie die Vergangenheit hinter sich ausgebreitet wie ein vergessenes Land, eine Landschaft aus einem dahinbrausenden Auto gesehen, die Provinznester, die rissigen Straßen, die schäbigen Wohnungen, in denen sie gelebt hatte, und das Mädchen, das sie einmal gewesen war, noch immer da, als könnte sie dieses Mädchen wieder zum Leben erwecken (es retten), wenn sie zu dem Abhang im Frick Park zurückkehren und nochmal ganz von vorn anfangen würde.
      Das konnte sie nicht, genauso wenig, wie sie sich davon abhalten konnte, dieser Zeit nachzutrauern. Hier, in diesem Augenblick, in ihrer Angst, dass sie ihre Mutter nicht davon überzeugen konnte, das Haus zu behalten, war sie besonders empfänglich für den Gedanken, dass es - wie mit ihrem Leben und ihrer Alkoholabstinenz - schon zu spät war.
      «Du bist so nachdenklich », sagte Arlene. «Das ist verboten.»
      Es ist gefährlich, wollte Meg sagen, gab aber dem hypnotisierenden Funkeln des Sees die Schuld. «Er glitzert wie Diamanten.»
      «Hoffentlich haben die Kinder ihre Sonnenbrillen dabei», sagte ihre Mutter. «Dieser grelle Sonnenschein kann die Augen dauerhaft schädigen.»
      «Nur wenn man direkt hineinschaut», witzelte Arlene, aber zu schnell, als wollte sie Meg zu Hilfe kommen.
      Meg wusste die Geste zu schätzen, fand aber, dass es die Aufmerksamkeit zu stark auf sie lenkte, eigentlich brauchte sie keine Hilfe. Wie bei so vielen beiläufigen Bemerkungen ihrer Mutter war damit ein Urteil verbunden, die Andeutung, dass Meg nicht aufgepasst hatte, selbst wenn Sarah und Justin zufällig Sonnenbrillen trugen. Zu einem anderen Zeitpunkt ihres Lebens hätte Meg ihre nachträgliche Warnung vielleicht als absichtliche Kränkung betrachtet, aber in diesem Sommer, wo ihr Wichtigeres durch den Kopf ging, hatte sie genug Abstand, um zu begreifen, dass ihre Mutter die Welt einfach so sah - als einen Ort, gegen den man sich wappnen musste, wenn man keinen schrecklichen Folgen ins Auge blicken wollte. Sie war eher gedankenlos als boshaft. Dasselbe hätte sie auch zu Lise, Ken oder Arlene gesagt. Dasselbe hätte sie auch vor fünfundzwanzig Jahren gesagt.
      Vielleicht lag es daran, wie ihre Mutter erzogen worden war, Großvater und Großmutter White waren streng religiös gewesen. Doch wenn Meg an die beiden dachte, erinnerte sie sich, wie sie nach dem Abendessen ferngesehen und stundenlang in ihren Sesseln gehockt hatten, beide rauchend und sich den Aschenbecher teilend, wie sich ihre Großmutter irgendwann hochgestemmt hatte, um für beide ein Schälchen Eis zu holen, das sie bei den Lokalnachrichten aßen. Nein, es lag allein an ihrer Mutter, an ihrem zögerlichen, wertenden Wesen. Wenn man im Leben die richtigen Entscheidungen trifft, wird man vielleicht belohnt, aber wenn man die falschen trifft, dann wird man verurteilt. Meg rang schon seit vierzig Jahren mit dieser Vorstellung, in der Hoffnung, sie widerlegen zu können. Nur ihr Stolz hielt sie davon ab, sich einzugestehen, dass sie aufgegeben, dass ihre Mutter gewonnen hatte.
      Sie brauchte eine Zigarette, musste aufstehen und sich die Beine vertreten. Wie erwartet, trottete Arlene hinter ihr her, und die Fliegentür klappte zu. Sie stellten sich unter die Kastanie und beobachteten die Boote, die blendenden Segel. Meg lauerte auf eine Gelegenheit, wartete, bis Arlene von der

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