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Abschied von Chautauqua

Titel: Abschied von Chautauqua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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jemanden in ihrem kleinen roten Käfer und ließ sich den Fall durch den Kopf gehen. So musste auch Meg vorgehen - die Situation analysieren und sich einen Vorsprung verschaffen, wissen, was zu tun war. Viel Glück, dachte sie. Diese Fähigkeit hatte sie nie besessen, bei niemandem, geschweige denn bei ihrer Mutter. Sie konnte ihr bloß sagen, wie sie sich fühlte, und darauf hoffen, dass sie gnädig sein würde, eine Taktik, die in der Gruppe funktionierte, aber sonst nirgends.
      Sie schlug ihr Buch zu und legte es auf den Tisch, ein Eröffnungszug, den ihre Mutter bemerkte. Das Licht, das zwischen den Bäumen hindurchfiel, färbte sich golden, honigsüß wie in einem Bier-Werbespot. Das Wasser am Ufer war ganz klar. Ihre Mutter blickte von ihrem Buch auf, um zu sehen, was sie machte, und Meg wartete ab.
      «Meinst du, wir könnten über das Haus sprechen?»
      Ihre Mutter hielt inne, wollte herausfinden, ob Meg es ernst meinte, gab ihr die Chance, die Frage zurückzunehmen.
      «Warum nicht?», sagte sie, steckte ein Lesezeichen zwischen die Seiten und setzte sich so, dass sie sich ansahen. « Kenneth hat schon gesagt, dass du das vorhast.»
      «Hat er dir auch gesagt, worum es geht?»
      «Im Wesentlichen.»
      Sie wartete, und Meg begriff, dass sie ihr die Sache nicht leicht machen würde. Sie musste das Ganze klar und deutlich darlegen und durfte ihr weder ein schlechtes Gewissen machen noch das Gefühl geben, dass sie sich gegen sie verschworen hatten.
      «Wir würden gern versuchen, das Haus zu behalten. Wir alle - Ken, Arlene und ich. Wir sind alle bereit, so gut wie möglich zu helfen.»
      Sie dachte, ihre Mutter würde sie unterbrechen und ihre Argumente beiseite wischen, bevor sie richtig begonnen hatte, aber sie saß erwartungsvoll da, als brauchte sie mehr Gründe, mehr Informationen, einen Beweis, dass sie alles durchdacht hatten. Das war noch schlimmer. «Wir haben kein Geld, ich weiß, das ist ein Problem. Und ich weiß auch, dass du nicht viel Geld hast.»
      «Nur zu wahr.»
      «Unser Vorschlag ist, dass wir uns um das Haus kümmern. Wir schließen es auf und zu und kümmern uns um die Reparaturen.»
      «Und bei Notfällen wie dem Rohrbruch letzten Winter?»
      «Auch bei solchen Notfällen. Und falls und wenn wir dazu in der Lage sind, helfen wir bei den Steuern.» Ihre Mutter machte keine abschätzige Bemerkung darüber, ein gutes Zeichen. Meg hatte noch mehr Argumente, doch das meiste war emotional, wie sehr sie das Haus liebten, dass ihr Vater sich wünschen würde, sie würden es behalten, aber sie glaubte, das wäre ein Fehler. «Im Grunde ist das alles», sagte sie. «Wir alle kommen gern her, wir möchten nächstes Jahr wieder herkommen, und es wäre billiger, als ein Haus zu mieten.»
      «Es klingt gut», sagte ihre Mutter. «Ich kann dir nicht sagen, wie glücklich es mich machen würde, wenn ihr Kinder das Haus übernehmt. Aber das hätte ich vor sechs Monaten wissen müssen. Dass ihr mir das jetzt sagt, nützt nichts mehr. Ich hab die Papiere schon unterzeichnet.»
      «Du kannst es dir anders überlegen, so was kommt ständig vor.»
      «Bei dir vielleicht, aber mich hat man anders erzogen.»
      Der Ton klang vertraut, den kannte Meg aus ihrer Kindheit. Die Gefahr bestand darin, dass sie auf dieselbe Art zurückschlug oder ihre Mutter moralisch von ihrem hohen Ross herunterholte.
      «Ich weiß, dass es spät ist», sagte Meg. «Ich wünschte, ich wäre vor sechs Monaten besser in Schuss gewesen oder hätte dir gesagt, dass ich es übernehmen will.»
      «Das ist unrealistisch. Ich will nicht gefühllos klingen, aber du hast im Augenblick schon genug am Hals. Du hast gesagt, du machst dir Sorgen, dass du euer Haus verlieren könntest. Wenn du dich entscheiden müsstest, würdest du das Haus doch bestimmt dem Sommerhaus vorziehen, zumindest den Kindern zuliebe.»
      «Natürlich», sagte Meg, «aber das ist nicht...»
      «Also gut, dann schlage ich Folgendes vor: Von dem Geld für das Sommerhaus gebe ich dir so viel, dass ihr bleiben könnt, wo ihr seid, bis die Kinder mit der Schule fertig sind. Es sind bloß noch sieben Jahre, das ist nicht lange. In der Zwischenzeit suchen wir ein schönes Haus zum Mieten, irgendwo in der Nähe. Das mag teurer sein, aber es ergibt keinen Sinn, Steuern zu zahlen, wenn wir jedes Jahr nur eine Woche lang hier sind. Ich komme nicht öfter her, mein Leben spielt sich in der Stadt ab.»
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