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Abschied von Chautauqua

Titel: Abschied von Chautauqua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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den Steg zum Ufer, während Rufus nebenher schwamm und wie ein Seehund schnaufte. Er spuckte irgendetwas ins Gras, schüttelte sich mit fliegenden Ohren und kam hechelnd wieder zu ihr getrottet, die Lefzen zurückgezogen, als würde er lächeln. Es gab keinen Grund, wütend zu sein. Sie musste ihn bloß im Auge behalten. Sie sorgte dafür, dass alle sich wieder hinlegten, und nahm den Jungs in dem Durcheinander gerade die Doritos ab, als der Geländewagen in die Einfahrt bog.
      Die Jungs sprangen auf.
      «Er muss noch den Herd reparieren», sagte sie, und Sam setzte sich wieder und stützte das Kinn auf die Fäuste. «Okay», sagte sie, «die Grimasse kannst du dir sparen.»
      Ken winkte, als er aus dem Wagen stieg. Er hatte eine Zeitung und irgendwas in einer braunen Tüte dabei.
      Sie würde nicht reingehen, um zu sehen, wie er vorankam. Sie würde auch nicht die Plane abnehmen und das Boot fertig machen. Sie würde sich nicht vom Fleck rühren.
      Er war richtig zwanghaft geworden. Das hatte gar nichts mit seiner Fotografiererei zu tun, wenigstens war es keine unvermeidliche Folge davon. Einmal waren es Streichholzbriefe, dann wieder Telefonmasten. Alte Volkswagen, griechische Restaurants, gemusterte Resopaltheken. Er kam mit der Idee für eine Serie nach Hause, und dann musste sie sich wochenlang anhören, wie er über die kulturelle Bedeutung von Abschleppwagen schwadronierte, aber schon einen Monat später hatte er irgendwas anderes, und manchmal entwickelte er nicht mal die Filme, die er verknipst hatte. Der erste Rausch der Begeisterung genügte ihm, genügte auch, um ihre Eifersucht zu erregen. Zu Hause würde er das vermisste Mädchen vergessen, wie auch immer sie heißen mochte, aber im Moment fühlte sich Lise einfach zurückgesetzt - wie Meg, fallen gelassen wegen einer jüngeren, unkomplizierteren Frau. Sie würde ihn wegen der fehlenden Alternative zurückgewinnen, nicht durch große romantische Gefühle. In ihrem Alter war das alles, worauf sie hoffen konnte.
      Sarah rollte sich auf den Rücken, als wollte sie ihr antworten, straff und vollkommen, und Lise wandte den Blick ab, kratzte an einem plötzlich juckenden Moskitostich.
      Schließlich kam Ken mit der viereckigen Schubkarre, die sein Vater zusammengebaut hatte, zum Steg.
      «Alles wieder in Ordnung?», rief sie, und er streckte den Daumen nach oben. Seine neue Badehose war kürzer als die von neulich, an beiden Beinen schaute ein weißer Streifen hervor. Er ließ sich von den Jungs beim Abdecken der Plane helfen und bat sie dann zurückzubleiben, während er im Schersprung über den Bootsrand setzte und die langen roten, wie Bomben aussehenden Benzinkanister einlud. Lise stand mit den beiden Mädchen abseits, nutzlos, nicht vertrauenswürdig.
      Er hatte nicht genug Platz zum Arbeiten, deshalb zogen sie den Schlauch und das verhedderte Seil auf den Steg.
      «Alle die Schwimmwesten anlegen», ordnete sie an und half den Jungs, ihre Riemen zu verstellen.
      «Kommt meine Mom mit?», fragte Justin.
      «Ich kümmere mich um dich», sagte Ken, «okay?»
      Daraufhin entschieden sich die Mädchen füreinander und überließen Sam ihr. Als könnte sie sich in diesem Augenblick noch unerwünschter fühlen.
      Ken ließ den leeren Benzinkanister unter der Plane und die Limonadendosen der Jungs in der Schubkarre liegen. Emily, Arlene und Meg kamen zum Steg, um sie zu verabschieden, und Arlene machte mit ihrer Kamera dauernd Bilder, während sie lospaddelten und der leichte Wind sie schräg auf den Steg der Lerners zutrieb. Lise sah, wie sich die Pflanzen durch das dunkle Wasser heraufstreckten und ums Paddelblatt wickelten, und sie stellte sich vor, das Mädchen würde verwest an die Oberfläche treiben, eine Szene wie aus Beim Sterben ist jeder der Erste. Es war ein böser Wunsch - sein Traummädchen umzubringen.
      Er verließ das Steuer und drängte sich zwischen ihnen hindurch zum Heck, beugte sich über den Bootsrand, um den Motor runterzulassen, kam dann zurück und drehte den Schlüssel. Der Motor brummte, sprang aber nicht an. Er öffnete das Drosselventil, drückte auf den Choke und versuchte es nochmal, doch der Motor stotterte nur. Sie trieben seitwärts in den blauen Rauch.
      «Paddelt weiter», sagte er, als hätte er den Befehl nicht aufgehoben.
      «Muss die Batterie aufgeladen werden, Käpt'n Ahab?», rief Emily vom Steg herüber.
      Ken drehte wieder den Schlüssel, und der Motor heulte laut

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