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Abschied von Chautauqua

Titel: Abschied von Chautauqua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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vorwärts. «Wir fahren.»
      «Man merkt es kaum», sagte Lise.
      «Warte nur.»
      Auf einem der Campingtische stand eine Limonadendose, und er stellte sich vor, dass Tracy Ann Caler als kleines Mädchen mit ihrer Familie hier gewesen war, stellte sich die Fotos vor, die sie gemacht hatten und die sich ihre Eltern jetzt zur Erinnerung ansehen würden. Er hatte sie nicht gekannt, wie sollte dieses Projekt dann ein Andenken sein?
      Er wusste nicht, was es war, und seine Sorge war berechtigt. Das Gefühl - egal, worum es sich handelte - war nicht einfach. Wenn ihm schon nicht wohl dabei war, wie ging es dann Lise erst? Aber war das nicht ein noch stärkerer Grund, dem Gefühl zu folgen? Wenn sie zurückkamen, würde die Polizei noch da sein.
      «Ich spür's!», rief Justin.
      «Jetzt fahren wir», sagte Meg, obwohl die Tachonadel, auf die sie deutete, auf null zeigte.
      Er konnte es auch spüren und rief: «Los geht's!»
      Wenn man die Steigung betrachtete, die sich vor ihnen erhob, schien es unmöglich, doch der Bus begann langsam zu rollen, ließ die Campingtische hinter sich, und auf beiden Seiten krochen die Bäume vorbei.
      «Unheimlich», sagte Ella.
      Alle Sinne sagten bergab, doch sie fuhren bergauf, oder vielleicht war es auch andersrum. Es war eine Täuschung, unmöglich bis auf das Gefühl in seinem Bauch, dass sie Fielen - immer schneller, als könnten sie nicht mehr anhalten. Meg hielt die Hände in die Luft, um zu zeigen, dass sie nichts machte. Als sie an Tempo gewannen, klatschten sie alle, auch die Mädchen, alle unterwegs zum Scheitel des Hügels, angezogen von unsichtbaren Kräften.
     
     
* 7
     
    Der Parkplatz von Panama Rocks war voller Unkraut. Ihr Auto war das einzige. Als Kind hatte Meg vor dem Park Angst gehabt, ihre Albträume hatten hier gespielt - gesichtslose Mörder, die sie zwischen den kalten, moosbedeckten Felsblöcken und schattenhaften Bäumen hindurchjagten und sie in Sackgassen in die Enge trieben, wo sie sich bei dem Versuch, die steilen Wände hinaufzuklettern, sämtliche Fingernägel abbrach. Sie fürchtete sich jedes Jahr vor dem tatsächlichen Besuch, vor den Witzen, die sich auf Fat Man's Mi-sery konzentrierten - oder, noch schlimmer, unausgesprochen blieben, weil alle Meg bedauerten. Jetzt war sie überrascht, wie klein und harmlos der Park war, geradezu malerisch (für eine Folterkammer), eine lächerliche Attraktion am Straßenrand, die allmählich vor die Hunde ging.
      Es sah aus, als wäre der Park geschlossen, doch das Eingangstor war mit einer Kette zurückgebunden. Es gab ein achteckiges Picknickhäuschen aus dunklem Holz und eine lange offene Scheune, beides überwuchert und verlassen, die Dachtraufe mit Spinnweben überzogen. Der Imbissstand am Eingang war mit Sperrholz vernagelt. Der einzige Mensch, der da war, saß am Kartenschalter, ein dünner Mann in den Sechzigern mit einer Bills-Kappe, der rauchte und ein dickes Stephen King-Taschenbuch las. Er gab ihnen eine Karte von den Felsen, ließ die Erwachsenen wegen der Kinder Verzichterklärungen unterschreiben und zeigte ihnen den Eingang.
      Innerhalb der Umzäunung ermahnte sie ein Schild, auf dem gekennzeichneten Weg zu bleiben und nicht auf den Felsen herumzuklettern. Es waren weder Haustiere noch irgendwelche Wegwerfwaren erlaubt. LAUFEN IST GEFÄHRLICH. ES HAT SCHLIMME UNFÄLLE GEGEBEN.
      «Na toll», maulte Lise. «Genau das, was eine Mutter gern sieht.»
      «Die Haftpflicht muss tödlich sein», sagte Ken. «Ich verstehe nicht, wie sie im Geschäft bleiben können.»
      «Für Instandhaltung geben sie ihr Geld jedenfalls nicht aus», sagte Meg, «so viel ist sicher», denn das verzogene Geländer neben dem Weg war bis aufs nackte Holz abgeblättert, und im Gras lagen geringelte weiße Farbsplitter. Sie war sicher, dass es das Geländer schon in ihrer Kindheit gegeben hatte, zügelte sich aber, bevor sie es sich ins Gedächtnis rufen konnte. Es kam ihr falsch vor, wegen eines Ortes wehmütig zu werden, den sie nicht ausstehen konnte. Die Funktionsweise des Gehirns hatte etwas Heimtückisches, denn es hieß alles Vertraute willkommen, wie ihre erotischen Träume von Jeff.
      Es sollte ihr egal sein, was er jetzt trieb. Abgesehen von der Scheidung gingen sie schon lange getrennte Wege, und doch empfand sie seine Absicht, wieder zu heiraten, als Angriff.
      Die Jungs rannten voraus wie Hunde, und sie riefen sie zurück und baten sie, vorsichtig zu sein, genau wie

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