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Abschied von Chautauqua

Titel: Abschied von Chautauqua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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ihre Eltern es getan hatten. Die Mädchen interessierte das Ganze nicht, sie schlenderten hinterher, und Sarah zupfte an ihren gespaltenen Haarspitzen. Wenn sie wieder zu Hause wären, würde die ganze Sache mit Mark zum Ausbruch kommen. Meg war dankbar, dass sie dann klar im Kopf sein würde, doch sie wusste, dass sie die geballte Wucht von Sarahs Unzufriedenheit abbekommen würde. Das hatte sie auch verdient, vielleicht wünschte sie es sich sogar, als Sühne. Sie musste sehr stark sein, um sich damit abzufinden, durfte es nicht persönlich nehmen, es nicht als Kampf zweier Willenskräfte betrachten. Sie brauchten ein gutes Jahr, und Meg dachte, das müsste möglich sein, jetzt, wo die Sache mit dem Haus geregelt war. Jeff konnte sie mal. Jetzt waren sie nur noch zu dritt.
      Das Geländer hörte auf, und der Weg schlängelte sich bergab, die einzelnen Serpentinen verbunden durch steinige Abkürzungen. Ken warnte die Jungs davor, den Weg zu verlassen. Die Schilder, auf denen die verschiedenen Baumarten angegeben wurden, waren kaum noch lesbar. Meg las die Namen und vergaß sie sofort wieder. Sie sah ein Butterfinger-Papierchen, hob es auf und steckte es in ihre Gesäßtasche. Wo die Abkürzungen den Weg kreuzten, war es holprig, steinige Furchen, die vom ablaufenden Wasser in den Fels geschnitten waren. Unter den Bäumen war es viel kühler, man brauchte fast einen Pullover. Vor Jahren war es ihr dort immer ganz heiß und flau im Magen geworden, weil sie wusste, dass es kein Zurück mehr gab. «Na komm schon», ermutigte ihre Mutter sie immer, als würde das Ganze Spaß machen.
      Heute empfand sie nichts, nur eine vage Ungeduld, nach Hause zu kommen und sich auf den Schulbeginn vorzubereiten. Sie mussten noch Sachen einkaufen, eine neue Jeans für Justin, einen guten Wintermantel für Sarah. Das konnte sie jetzt tun, ohne sich um jeden Penny Gedanken machen zu müssen, alles wegen ihrer Mutter. Obwohl sie sich darauf verließ, hatte sie es noch nicht richtig verarbeitet. So war es wahrscheinlich, wenn man in der Lotterie gewann - ein unwirkliches Glück, als könnte ihr alles genauso plötzlich wieder genommen werden.
      Sie musste Ken die Wahrheit sagen. Irgendwann, dachte sie. Am Telefon.
      Sie kamen zum Ausgangspunkt des Pfads, einem Holzschild mit der Zahl 1, das an einen im Boden steckenden Pfahl genagelt war. Durch die Birken zeichneten sich die Felsen wie riesige, im Hang versunkene Köpfe ab, die von Flechten überzogenen Gesichter stufenförmig geschichtet, von Grundwasser triefend. Zwei Wurzeln wuchsen wie Kletterpflanzen über die grünen Felsvorsprünge. Sie wedelte mit der Hand einen Schwarm Stechmücken weg.
      «Okay», sagte Ken und entfaltete die Karte, «mal sehen, was wir hier haben. Castle Rock.»
      «Und wo soll das Schloss sein?», fragte Lise.
      Sie neigten die Köpfe nach hinten und blinzelten, doch keiner von ihnen konnte eine Ähnlichkeit erkennen.
      «Weiter geht's», sagte Ken. «Nummer zwei: die Mayflower.»
      «Der da?», fragte Meg mit ausgestrecktem Finger.
      «Ich glaub schon.»
      Die Jungs flitzten zwischen den riesigen Steinen hindurch, und Justin versuchte, mit Sam Schritt zu halten.
      «Vorsicht», rief sie. «Es ist glatt.»
      Sie hätte schwören können, dass Fat Man's Misery erst kurz vor dem Ende kam, so was wie eine letzte Prüfung, aber er kam schon früh, als Nummer 4. Es hätte kaum einfacher sein können - zwei steile Wände, die sich fast berührten, die Spalte dazwischen so groß wie Justin, der Umriss nachgezeichnet vom Sonnenlicht auf der anderen Seite. Daran war nichts Bedrohliches. Wenn sie kleiner wäre, könnte sie sich mühelos durchzwängen.
      «Was ist das für einer?», fragte Lise, und als Ken zögerte, sagte Meg es ihr.
      «Als Kind bin ich da nie durchgekommen.»
      «Du hast es nie versucht», sagte Ken.
      «Du hast mir nie die Chance gegeben. Du hast dich die ganze Zeit über mich lustig gemacht, weißt du noch? Margaret's Misery.»
      «Das istja furchtbar», sagte Lise, aber er bat nicht um Verzeihung, und Meg fand es lächerlich, die alten Geschichten auszugraben, wo doch ihr eigenes Leben völlig verkorkst war. Besonders angesichts des Geheimnisses, das sie zweckmäßigerweise für sich behielt und ihm erst erzählen wollte, wenn es gefahrlos war.
      Von Jeff und Stacey würde sie ihnen erst im letzten Augenblick erzählen, als wäre es für sie eine Überraschung.
      War es auch gewesen. Das

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