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Abschied von Chautauqua

Titel: Abschied von Chautauqua Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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Körper berührte. Das Wasser wurde plötzlich kälter, der Druck ließ nach, und Ella drehte den Hahn blind bis zum Anschlag auf. Es half einen Augenblick, aber das war's dann. So was passierte in Chautauqua ständig - sie war die Letzte.
      Sarah hatte den Föhn an, und Ella dachte, dass sie mit dem Duschen vielleicht eher fertig sein würde als Sarah mit dem Haarebürsten. Sarah würde merken, wenn Ella abwartete, bis sie weg war.
      Das Wasser war kalt, ihre Haut zog sich zusammen. Sarah toupierte ihr Haar, strich es mit der Hand glatt, und Ella überlegte, ob sie nass aus der Tür treten und sich triefend, ohne Handtuch, auf die Badematte stellen sollte. Sarah konnte sich abwenden oder einen Witz reißen, aber Ella hätte es wenigstens versucht.
      Wenn sie es so ausdrückte, klang es gut, aber so würde es nicht erscheinen, und überhaupt, es war nicht das, was sie wollte. Das war nicht sie.
      Der Föhn wollte einfach nicht verstummen. Sogar wenn das Wasser eiskalt war, stank es. Ella drehte sich zur Seite, aber das war auch nicht besser. Sie musste die Zähne zusammenbeißen und zu Ende duschen. Sie bückte sich nach der Pflegespülung und stellte sich aufrecht unter die Brause, das Gesicht nach vorn, als wäre alles in Ordnung.
     
     
* 5
     
    «Woher soll ich wissen, wie spät es ist, wenn ich keine Uhr hab?», protestierte Sarah.
      «Hast du sie immer noch nicht gefunden?», fragte Tante Margaret.
      «Nein.»
      «Das überrascht mich nicht», sagte seine Mutter. «Da oben findet man überhaupt nichts.»
      «Wir haben aufgeräumt», protestierte Ella. «Sie ist nicht da.»
      «Immer sachte», sagte seine Mutter, «und nicht in diesem Ton», und als Ella verstummte, dachte Sam, sie würde ihn verpetzen. Er fühlte sich wie das eine Mal im Stop-n-Shop, als er dachte, die Frau hinter ihm in der Schlange hätte ihn ertappt.
      «Hast du im Auto nachgesehen?», fragte sein Vater. «Vielleicht ist sie zwischen die Sitze gerutscht.»
      «Wann hast du sie zum letzten Mal gesehen?», fragte seine Mutter.
      Sie waren alle erhitzt vom Tennis und saßen auf der Veranda. Der Streit war ausgebrochen, weil die Mädchen das ganze heiße Wasser verbraucht hatten, und jetzt war er es, der Ärger bekam.
      «Ich hatte sie noch, als wir im Kino waren, weil ich weiß, dass ich beim Rauskommen draufgeguckt hab.»
      «Welcher Tag war das ? »
      «Das war Montag», antwortete sein Vater.
      «Hast du beim Sofa geguckt?», fragte Tante Arlene.
      «Nein.»
      «Wenn du nicht nachsiehst, findest du sie auch nicht», sagte Tante Margaret.
      «Sie taucht bestimmt wieder auf», sagte Grandma. «Ich halte heute Nachmittag beim Saubermachen danach Ausschau.»
      «Warum willst du denn sauber machen?», fragte seine Mutter, und die Unterhaltung kehrte sich von ihm ab, wurde erst ungefährlich und dann langweilig.
      Er und Justin gingen raus in die Sonne und schlugen die Krocketkugeln durch die Gegend. Sie wollten nach Panama Rocks, aber eigentlich wäre er lieber zum Tubing rausgefahren. Als er an das Boot dachte, sah er es übers Wasser brausen, er dahinter, und unter ihm, weit unten auf dem kalten braunen Grund des Sees, tickte die Uhr in den Wasserpflanzen.
      Die Versammlung auf der Veranda löste sich auf. Sie verzichteten aufs Duschen und fuhren so dreckig, wie sie waren. Sie würden sich sowieso wieder schmutzig machen.
      «Wir müssen Schuhe anziehen», verkündete seine Mutter. «Keine Sandalen und nichts mit offenen Zehen. Am besten Stiefel, aber Turnschuhe sind auch okay.»
      Den ganzen Morgen war er in seinen Flip-Flops Fahrrad gefahren und befürchtete, er könnte deshalb Ärger bekommen, aber als sie rauskam, um ihn zu nerven, sagte sie nichts. Sie verlangte, dass er seinen Schläger und seine Kugel richtig wegräumte, damit niemand drüber stolperte (vergaß aber die Tore). Tante Margaret holte Justin ins Haus, und sie waren allein.
      «Danke», sagte seine Mutter, als er fertig war, und hielt ihn mit der Hand an der Schulter fest, als wollte sie ihn umarmen, nur dass sie sich nicht bückte, sondern ihn bloß festhielt, damit er sie ansehen musste.
      Sie machte ein ernstes Gesicht, und ihm wurde klar, was sie ihn fragen würde.
      Er würde Ella umbringen, dieses alte Klatschmaul.
      «Du hast sie nirgends gesehen, oder?»
      «Was?», fragte er und sah sie mit ausdruckslosem Gesicht an.
      Das war ungerecht; sie mussten ihn schon

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